Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
öffentliche Unterstützung.
Die Frau hat immer als Krankenschwester gearbeitet, und er studierte, wie ich jetzt erst erfahren habe, Medizin und wollte hier ein Praktikum absolvieren, daher der Umzug. Nebenher hatte er im Ruhrgebiet, wo er zuletzt gelebt hatte, in einem Chemiewerk gearbeitet, weshalb die Polizei – auch das kam mir erst nachträglich zu Ohren – auch dort ermittelt hatte, ob seine tödlichen Atemprobleme eventuell da herrührten.
Frau Olugulade nahm die neue Wohnung gerne an, war sehr dankbar und hat viel geweint, mich und viele andere immer wieder gedrückt, und wir alle haben unseren Spaß mit dem kleinen Benjamin gehabt.
Daniel war heilfroh, dass seine Mutter wieder in seiner Nähe ist, aber von seinem Stolz und seinem an Überheblichkeit grenzenden Selbstbewusstsein nahm er auch in ihrer Gegenwart keinen Abstand. Wir sind übereingekommen, dass Daniel noch zwei oder drei Tage bei uns bleiben sollte, damit sich seine Mutter besser einleben kann und sich nicht um zwei Kinder kümmern muss. Für Jussip war es irgendwie sonnenklar, dass er auch bei uns einziehen kann, aber das ging mir dann doch zu weit. Schließlich nistete er sich auf dem Sofa bei Frau Olugulade ein, denn bis nach der Trauerfeier wollte er bleiben.
Dramatisch wurde es für mich am nächsten Tag. Freitag in aller Frühe, um kurz nach acht, stand Frau Olugulade geschniegelt und gestriegelt bei uns und wollte jetzt ihren Mann sehen. Es halfen keine guten Worte, keine ernsten Worte, kein energisches Nein, sie bestand darauf, sie wurde laut, sie zeterte und heulte, wie es nur Frauen ihrer Herkunft wohl können, sehr theatralisch, aber irgendwie auch alles sehr verständlich.
Was tun? Die Frau wollte unbedingt ihren verstorbenen Mann sehen, der mit Sicherheit nicht schön anzusehen sein würde. Mir blieb nichts anderes übrig, als zwei meiner Männer als Vorhut loszuschicken. Bewaffnet mit allem, was unser Keller an Wiederherstellungsmaterialen zu bieten hat, machten sich Huber und Manni auf den Weg. Meine Aufgabe war es nun, Frau Olugulade zu beschäftigen – und solange es im Raum stand, dass sie dann zu ihrem Mann gebracht wird, war sie auch gefügig, trank Kaffee und redete mit mir und meiner Frau, die das Baby gar nicht mehr hergeben wollte. Anderthalb Stunden dauerte es, bis der Anruf von Huber kam: »Chef, ich lehne jede Verantwortung ab, wir haben alles versucht, und man kann ihn jetzt anschauen, aber schöner ist der im Sterben nicht geworden.«
»Wie schlimm ist es?«, wollte ich wissen.
»Na ja, obduziert halt, Y-Schnitt in Brust und Bauchraum, ein Kniegelenk als Gewebeprobe entnommen, den Kopf geöffnet. Außerdem …« Huber zögerte.
»Los, was ist?«
»Nun, der ist ganz grau, der sieht gar nicht mehr aus wie ein Neger, sondern einfach nur hellgrau.«
»Können wir es der Frau zumuten, ihn anzuschauen?«
»Also, wir haben ihm ein Tuch um den oberen Teil des Kopfes gelegt, das sieht eigentlich sogar ganz gut aus. Einen Talar hat er an, die Hände haben wir gefaltet und einen schmalen schwarzen Schleier drumgewickelt, die sehen nicht mehr gut aus. Im Gesicht können wir nichts machen. das gibt der Zustand der Haut nicht mehr her. Sagen wir es mal so: Wenn die tapfer ist und ihn nicht anfassen will, dann geht’s.«
Ich gehe zu den Frauen und dem Baby zurück und frage Frau Olugulade, wo denn Jussip sei. Ja der schlafe noch, aber er habe ein Mobiltelefon. Also rufe ich Jussip an; der meldet sich auch schon beim dritten Anruf und verspricht, sofort zu kommen. Fünfunddreißig Minuten später ist er endlich hier; ich nehme ihn beiseite und bespreche mit ihm die Situation. Er wird leichenblass, und ganz entfernt bekomme ich eine Vorstellung davon, wie Herr Olugulade jetzt wohl aussehen könnte. Aber Jussip verspricht, uns hilfreich zur Seite zu stehen und die Frau davon zu überzeugen, dass sie ihren Mann nicht anfassen oder gar küssen kann.
Unterwegs war mir noch die Idee gekommen, dass es vielleicht gut gewesen wäre, auch einen Pfarrer mitzunehmen, aber dafür war es jetzt zu spät. Langsam näherten wir uns der Tür, Huber trat zur Seite, und ich drängelte mich vor, um der Erste zu sein. Insgeheim hatte ich vor, die Situation sofort zu beenden und den Besuch bei Herrn Olugulade doch nicht zuzulassen, wenn es zu schlimm wäre. Meine Augen waren überall, in Sekundenbruchteilen hatte ich die Situation erfasst, und mein Kopf rauschte. In diesem Moment wusste ich, dass man den Besuch zulassen konnte, ich
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