Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
Familie.
Herr Kolambowala trinkt ein bisschen Kaffee, knabbert einen Keks, strahlt die ganze Zeit wie ein Pfund Plutonium … und nickt dann Herrn Ossomowa aufmunternd zu. Während sich die Männer noch kurz unterhalten, weicht Daniel auf einmal zurück; er hatte die ganze Zeit sehr verlegen und etwas verschüchtert dagestanden, und ich sehe ihm an, dass er sich mehr als unwohl fühlt. Das merkt auch Herr Ossomowa und wendet sich in seinem Sprachgemisch direkt an Daniel. Später erfahre ich, dass Daniel diese Sprachen bei weitem nicht gut beherrscht; seine Mutter spricht natürlich stolz mit ihm auf Nigerianisch, aber ihr Nigerianisch ist Ugbo oder Igbo, eine völlig andere Sprache. Einige Wörter nur kann Daniel verstehen, Herr Ossomowa erkennt das wohl schnell und spricht langsam und gedehnt, verwendet wohl dann auch hauptsächlich die Sprache von Daniels Mutter, und der wird regelrecht blass.
Man mag es ja gar nicht glauben, dass ein Schwarzer blass werden kann, aber doch, das geht. Die Haut bekommt einen ganz anderen Schimmer, vor allem die Lippen verlieren an Farbe, und Daniel sagt mir später, dass ihn absolut erschreckt hat, dass Ossomowa von Daniels Heimat sprach, die auf ihn warte.
Glücklicherweise kommt in diesem Moment meine Tochter, um Daniel zu holen. Herr John ruft dem weggehenden Jungen noch etwas hinterher, aber der Klang seiner Stimme und das Grinsen in seinem Gesicht passen nicht zusammen.
Ich bin mit den Männern alleine und frage sie, was sie eigentlich wollen, wie sie helfen wollen und in welcher Beziehung sie zu der Familie Olugulade stehen.
Herr Kolambowala, an Liebenswürdigkeit nicht zu überbieten, erklärt in Deutsch-Englisch, wie nahe sie alle der Familie stünden, und dann auf einmal erklärt er, ja, die anwesenden Herren seien sozusagen auch alle mit den Olugulades verwandt. Der Schwager des Onkels von Herrn Smith sei mit einer Schwester des Verstorbenen verheiratet, und er selbst habe eine Schwester, die mit dem Bruder des Schwagers verheiratet sei … Genau kann ich die verwandtschaftlichen Beziehungen nicht mehr wiedergeben, aber irgendwie war jeder mit einer Schwester von irgendwem verschwägert, und alle hatten eine schwägerliche Wurzel in der Olugulade-Sippe.
Grundsätzlich kommen mir die Herren inzwischen mehr als merkwürdig vor, und ich frage erneut nach ihren Beweggründen. Da bleiben sie aber nebulös und sprechen nur von »help and joy«, wollen also nicht raus mit der Sprache.
Ob sie denn von der Botschaft kämen, will ich wissen.
»No, no, no!« Sie fuchteln mit den Händen: »No embassy, no gouvernment, wir sind privat, nur privat, good friends and family!«
Aha, die lügen mich an, das ist sonnenklar. Doch Herr Smith beteuert, sie seien alle Studenten, man kenne den Verstorbenen vom Studium her. Ach nein, eben noch »good friends«, dann auf einmal »family of Schwagers« und jetzt Studienkollegen. Die verarschen mich doch und glauben wohl, ich sei total bescheuert.
»Das können Sie erzählen, wem Sie wollen, mir ist es auch egal. Ich will von Ihnen nur wissen, was Sie genau von der Familie wollen.«
Das aber wollen sie mir nicht sagen. Joy, happiness und »good feelings with the wife of the deseased«. Sie wollen gute Gefühle mit der Frau des Verstorbenen teilen und sind auf einmal ganz mitleidig und zeigen großes Verständnis für die Witwe. Man müsse der Frau helfen und ihr jetzt den Weg ebnen. Jetzt und auf der Stelle müssen sie mit der Frau sprechen, und auf einmal sind die Herren Smith, John, Kolambowala und Ossomowa kein bisschen freundlich, sondern bestimmt und fordernd.
Das lehne ich ab, schütze vor, der Frau gehe es nicht gut, das käme gar nicht in Frage. Herr Kolambowala kneift die Augen zusammen, beugt sich nahe zu mir herüber, so dass ich sein Rasierwasser riechen kann und sagt in auf einmal doch sehr gutem Deutsch: »Ich MUSS diese Frau sehen, und ich werde diese Frau sehen und sprechen. Wenn nicht heute, dann morgen!«
Schnell hat man sich verabschiedet, alle sind urplötzlich wieder strahlende Freundlichmänner, schütteln mir überschwenglich die Hand, klopfen mir auf die Schulter, und dann sind sie verschwunden.
Etwas später spreche ich mit Frau Olugulade, und ich kann diese Situation nicht richtig wiedergeben. Sie zeigt Entsetzen, das ist ganz eindeutig zu erkennen. Die Situation ist für sie bedrohlich, und sie hat auch Angst, das erkennt man auch. Aber sie setzt ein Lächeln auf, ein falsches Lächeln, und erklärt, dass sei
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