Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
vor. Ein kleines Urnenreihengrab, direkt an der Mauer des Friedhofs soll es werden. Frau Olugulade ist manchmal nicht zu verstehen. In einem Moment erklärt sie, eine Feuerbestattung sei gar nichts, im nächsten Augenblick kommt dann wieder eine Erdbestattung nicht in Frage. Man würde etwas flapsig sagen: Sie ist völlig durch den Wind.
Eine Feuerbestattung hat auch Jussip, der Freund der Familie, für gut befunden. Zwar erklärt die Witwe, dass sie auf keinen Fall jemals nach Nigeria zurückkehren möchte, aber immerhin hätte sie in diesem Fall die Möglichkeit, die Urne mitzunehmen.
Ja, das mit dem Zurückkehren nach Nigeria, das ist noch so ein Thema.
Einen Tag zuvor stand Frau Birnbaumer-Nüsselschweif in der Tür. Unser Haus ist immer Dreh- und Angelpunkt für alle und Anlaufstelle für Familien, Vereinsamte, Merkwürdige und Streithammel. Ich habe schon oft überlegt, warum das so ist. Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir ein sehr offenes Haus führen und viele Dienstleistungen unter einem Dach bieten. Schon allein, dass man bei uns seine Verstorbenen so besuchen kann, wie es einem beliebt, führt dazu, dass die Leute häufiger kommen, und wenn sie schon mal da sind, dann reden sie entweder gar nichts, oder sie erzählen ganz viel.
Und ich bin ja nun ein Misanthrop und Grantler, der nicht mit jedem gleich ein langes, fröhliches Schwätzchen hält. Gerade das aber ist es, was die Leute wohl schätzen, dass ich einfach zuhöre, den Gemütlichen gebe und Verständnis für sie und ihre Lage aufbringe.
Es ist wohl so, weil ich niemals Anteilnahme heuchle und immer auch klar sage, dass das mein Geschäft, mein Beruf ist. Die Fronten sind geklärt, keiner geht von falschen Voraussetzungen aus. Wir helfen den Menschen in einer schwierigen Situation, aber wir sind keine selbstlose Samariter.
Die Birnbaumer-Nüsselschweif hat so einen Wallewalle-Mantel an, so ein Ding, bei dem man nicht genau weiß, ob es ein Mantel, ein Cape, ein Umhang oder eine Wolldecke mit Schal ist. Irgendwo aus zwei Öffnungen an den Seiten schießen ab und zu ihre Hände hervor und fuchteln mir vor dem Gesicht herum. »Die Afrika-Gruppe, wie auch der Mütterkreis und überhaupt alle sind ja der Meinung, dass der Familie am besten geholfen ist, wenn sie in die Heimat zurückkehrt.«
Ach nee, ganz neue Töne. Es ist noch gar nicht so lange her, da sah die Birnbaumer das Heil der Familie allein darin, dass sie sich höchstpersönlich um die Kinder kümmere. Was hat sie nicht alles in Aussicht gestellt, wie sie der Familie einen dauernden Aufenthalt hier in Deutschland ermöglichen würde. Und jetzt? Das sieht mir doch verdammt nach Sandkuchen-Plattdrücken aus.
Man kennt das doch: Das kleine Nüsselschweifchen sitzt im Sandkasten, die Kinder backen mit Förmchen aus Sand Kuchen und lassen das dicke, hässliche Nüsselchen nicht mitschweifen. Und weil sie nicht mitspielen darf, haut sie dann eben den anderen Kindern die Sandkuchen kaputt. Wenn ich nicht mit dem Kuchen spielen darf, sollt ihr es auch nicht.
Nur dass der Kuchen jetzt eine dreiköpfige Familie ist.
Ich sehe überhaupt keinen Grund, dass Frau Olugulade, Daniel und Benjamin nach Nigeria zurückkehren sollten. Der einzige Grund, den es geben könnte, wäre der Wunsch der Betroffenen, und die wollen das auf gar keinen Fall.
Frau Olugulade kann hier als Krankenschwester arbeiten, und das auch noch in einem Krankenhaus, das neben einem Schwesternheim auch eine Kinderkrippe unterhält. Das gibt es nur ganz selten und stellt für Frau Olugulade das Optimum dar.
Meine Aufgabe sehe ich eher darin, ihr beim Start in die veränderte Lebenssituation zu helfen, und nicht darin, der Frau jetzt jahrelang als Dauerhelfer zur Verfügung zu stehen.
»Nein, nein, nein, nein«, ich glaube, das sagte die Nüsselbaum sogar an die siebenmal: »So geht das nicht, da bin ich gar nicht bei Ihnen, nicht einmal ein Stück weit sind wir da zusammen. Das sind Afrikaner mit afrikanischen Wurzeln, und in Nigeria da gibt es Großeltern, Brüder und Schwestern, und da wäre die Familie doch wesentlich besser positioniert.«
»Positio, was?«, frage ich verdutzt zurück, nicht weil ich es nicht verstanden hätte, sondern weil mir der Quatsch einfach zu absonderlich erscheint.
»Also, ich sehe das so, dass es das Beste wäre, wenn mein Mann und ich die Familie bei ihrer Rückkehr begleiten würden. Ich habe sogar schon einen Sponsor gefunden, der für die Flüge aufkäme.«
»Einen Sponsor,
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