Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
auseinanderzusetzen, die vermutlich in der Kürze der Zeit sowieso nichts bewirken können. Die Beisetzung ist gleich, und ohne Daniel kann und soll sie nicht stattfinden.
Ich fälle eine Entscheidung: »Ich rufe jetzt auf dem Friedhof an, und wir verschieben die Urnenbeisetzung um eine oder zwei Stunden. Manni soll dort die Trauergäste abfangen und hierherschicken.«
»Sandy!«, ich muss nicht viel zu ihr sagen. Sie weiß Bescheid und kennt unser Notfallprogramm. Die vorher gefeierte Frau Schulzbach wird aus unserer Halle in die Kühlung geschoben, vorne wird etwas durchgefegt, und die Blumen der Familie Schulzbach werden etwas mehr in die Mitte geschoben. Kränze mit Schleifen kommen nach draußen. Es wird Frau Schulzbach nichts ausmachen, wenn wir ihre Blumen noch ein Stündchen für jemand anderes nehmen.
Vom CD-Spieler kommt leise und ruhige Musik. Nur noch die Stühle geraderücken, und unsere Halle ist fertig für eine kleine, improvisierte stille Gedenkfeier für Kaldawule Emmanuel Olugulade.
Ich habe zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, ob da überhaupt Leute zum Friedhof kommen und von Manni zu uns geschickt werden, erbeten oder angekündigt war es nicht, aber man weiß ja nie.
Eine Praktikantin und Sandy sind auf jeden Fall bereit, um eventuell eintreffende Gäste in die Halle zu führen und dort zu plazieren. So können wir anderen uns der Suche nach Daniel widmen.
Frau Olugulade, meine Frau, Jussip und ich diskutieren und überlegen hin und her, wo der Junge stecken könnte. Jussip sieht ihn schon gefesselt und geknebelt auf dem Flug nach Nigeria, Frau Olugulade jammert, weil ohne Daniel ihr Kaldawule nicht unter die Erde kommt, und meine Frau hat komische Ideen. Ich könnt’ sie ja manchmal, wenn sie so komische Ideen hat, so Ideen, auf die kein Mann käme, völlig an der Realität vorbei, vollkommen weltfremd. Und noch mehr könnt’ ich sie, wenn sie dann – was meistens der Fall ist – auch noch recht hat mit ihren komischen Ideen …
»Die Nüsselschwein!«, sagt sie und macht so ein vielsagendes Gesicht.
»Das traut die Dicke sich nicht«, behaupte ich, und dennoch greife ich zum Telefon und rufe bei der Birnbaumer-Nüsselschweif an. Es meldet sich der Anrufbeantworter. Okay, so komme ich auch nicht weiter.
Inzwischen kommen die Kinder wieder und sagen, sie hätten Daniel auch nicht gefunden, und dann rückt das Stück Holz, das mein Sohn ist, mit der Botschaft heraus: »Der ist bestimmt Blumen kaufen gegangen.«
»Was für Blumen?«
»Hat er gestern gesagt, er will von seinem Geld Blumen für seinen Papa kaufen.«
So eine Holzbirne! Warum sagt der das nicht früher, von wem hat er dieses Holzbirnige bloß? Meine Frau und ich waschen unsere Hände in Unschuld, und während ich noch wasche, sehe ich im Augenwinkel, wie sie auf mich deutet und mit dem Mund lautlos irgendwas Hässliches über mich in die Welt setzt.
Es gibt sechs Blumengeschäfte in der Gegend, die Nummern haben wir alle, schon aus beruflichen Gründen, eingespeichert.
Bei Kötters war Daniel nicht, aber der alte Kötters verspricht, sofort anzurufen, wenn ein schwarzer Junge kommen sollte.
Das versprechen auch die nächsten drei Blumenhändler, und auch meine Frau signalisiert, dass Daniel nicht beim Blumenhaus »Egons Blumenstübchen« war.
Erst bei Neureuthers haben wir endlich Erfolg. Ja, der Junge sei schon vor einer halben Stunde oder so da gewesen, habe für fünf Euro Nelken gekauft und sei dann mit der Frau wieder weggegangen.
»Mit was für einer Frau?«
»Keine Ahnung, so eine Dicke, die müssten Sie aber kennen, die ist irgendwas bei der Gemeinde.«
»Die Nüsselschweif!«, entfährt es mir.
Was hat sie bloß mit dem Jungen vor?
Meine Frau beruhigt uns und sagt: »Wenn die mit dem Jungen Blumen kaufen geht, wird sie ihn ja nicht fressen wollen.«
Sie hat recht, ich nicke: »Ja, die wird sich nur in Szene setzen wollen.«
Frau Olugulade wird nun immer mehr abgelenkt, es treffen die ersten Trauergäste ein und gehen gemeinsam mit ihr in unsere Trauerhalle. Viele Leute tauchen allerdings nicht auf. Zu neu ist die Familie in unserer Gegend. Eine Frau vom Mütterkreis erscheint, ein Schwarzer, den wir zuvor nie gesehen haben, den Frau Olugulade aber weinend begrüßt, noch eine Frau aus unserem Stadtteil und später noch ein Spanier, den eigentlich niemand kennt, der aber beteuert, sehr zu trauern.
Der Friedhofsverwalter ruft an. Ja was denn nun sei, wann wir denn nun die Urnenbeisetzung haben
Weitere Kostenlose Bücher