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Dihati Qo – Die, die sind

Dihati Qo – Die, die sind

Titel: Dihati Qo – Die, die sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Maximilian Spurk
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Prolog
    Er rennt. Er rennt um sein Leben, aber vor allem um das des Kindes. Das Kind in seinen Armen schreit. Er kann die Häscher in seinem Rücken spüren; ihr Atem streift förmlich seinen Nacken. Der Regen peitscht ihm ins Gesicht und er kann sich kaum auf dem nassen Laub des Waldbodens halten, aber er rennt. Und er fällt.
    Er dreht sich im Liegen um, erwartet den tödlichen Schlag. Aber da ist niemand. Die Verfolger, die er so nah hinter sich wähnte, liegen zurück. Doch er kann sie hören. Die Hunde, die Füße, die Pferde, die Schreie. Sie kommen näher. Die Pferde nicht so schnell, denn der Wald ist dicht. Aber die Fußsoldaten und die Hunde. Ja, die Hunde. Wölfe . Da spürt er es ganz genau. Den stechenden Blick in seinem Rücken. Sie sind hinter ihm. Sie haben ihm den Weg abgeschnitten. Sie blicken hohnlachend von oben auf ihn herab. Angsterfüllt dreht er sich um und hebt den Blick. Ein gellender, langgezogener …
    … Schrei fuhr aus seiner Kehle. Das Kind schrie ebenfalls. Aufrecht und schweißgebadet saß König Poran in seinem Bett. Sein Blick irrte zur Wiege. Er hatte seinen Sohn geweckt, aber er war zu schwach, um aufzustehen und ihn wieder zu beruhigen.
    Die Amme hatte recht; es war besser, das Kind in ihrer Nähe schlafen zu lassen. Aber es war doch das Einzige, was ihm noch blieb, außer dieser – Einsamkeit.
    Seine zitternden Hände konnte der König nicht beruhigen. Sein Nachtgewand klebte auf seiner Haut und der feuchte Stoff stahl die Wärme aus seinem Körper. Sein Atem drang stoßweise an sein Ohr. Es hörte sich genau nach dem alten Mann an, der er war.
    Die Palastwache riss die Tür auf und stürmte herein. Die Soldaten blieben abrupt stehen und schauten sich im Schlafgemach des Königs fragend um.
    Missbilligend musterten seine vom Schlaf geschwollenen Augen die Männer. Sie taten ihre Pflicht und das sehr gut, aber es behagte ihm nicht, dass sie ihn in dieser Verfassung sahen. Fahrig winkte er sie mit einer Hand hinaus. »Es ist alles in Ordnung. Es war nur ein Traum.« Er krächzte und klang müde. Er wusste das und es gefiel ihm nicht. »Lasst die Amme passieren!«, rief er den Wachen hinterher.
    Die Amme kam auch sogleich und eilte zu dem Jungen, der schreiend in der Wiege lag. Sie gestattete sich einen besorgten Blick auf den König, bevor sie das Kind in die Arme nahm und sanft hin und her wiegte. Sie sang beruhigend ein Schlaflied.
    Der Traum. Der Traum ließ Poran nicht los. Der Mann und das Kind. Ein fremder Mann, obwohl sein Gesicht Poran bekannt vorgekommen war. Aber das Kind war Porans Sohn gewesen. Vorahnungen überfielen ihn, wie die im Sand vergrabene Schlange ihr Opfer.
    Er schüttelte sich. Wieder der besorgte Blick der Amme. Jeder machte sich Sorgen um seinen Gesundheitszustand. Er wollte es den Leuten nicht übelnehmen, aber auf Dauer strapazierte es seine Nerven.
    Es stimmte; er war ein alter Mann. Es glich einem Wunder, dass einem Mann in seinem Alter noch ein Sohn geschenkt wurde. Die Freude über die langersehnte Schwangerschaft seiner Frau war anfangs groß. Doch das neue Leben forderte als Tribut den Tod der Mutter. Sie verstarb bei der Geburt des Kindes.
    Bei seinen Untertanen galt er seitdem als gebrochener Mann und so unrecht hatten sie damit nicht. Sie fehlte ihm sehr. Die Leute fürchteten, dass er am Kummer zerbrach und sein Thronfolger war noch ein Säugling. Bei einer Übergangsregierung durch seine Berater konnte wer weiß was passieren. Das alles raubte ihm seit Wochen den Schlaf und jetzt auch noch dieser Traum – diese Vorahnung.
    Er schlug die Decke zurück, stand auf und legte sich den königlichen Umhang um die Schultern. Sopeia musste ihm Klarheit verschaffen. Seine Seherin würde mit ihrer Klarsicht das Dunkel vertreiben. Jedenfalls hoffte er das. Er musste wissen, was es mit diesem Traum auf sich hatte.
    * * *
    Der Blick der Seherin schweifte ab, nachdem der König mit seiner Erzählung geendet hatte. Sie schüttelte leicht den Kopf. Das war kein Traum – es war eine Vision! Was Sopeia darüber hinaus wusste, steigerte ihre Sorgen. Der Gedanke, ein Unbekannter könnte mit dem Sohn des Königs fliehen, behagte ihr nicht. Es passte zu gut – zu schrecklich – ins Bild.
    Es war Zeit. Sie sträubte sich, ihre Bedenken kundzutun. Doch sie konnte dem vor Kummer gebeugten Mann ihre Vorahnungen und ihr Wissen nicht länger verschweigen. Sie zog die Luft ein und straffte ihre Schultern. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Ihre rabenschwarzen

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