Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
irgendwelchen Grabschmuck sieht man gar nicht, die Gräber sind sämtlich mit grobem Kies abgedeckt.
Weiter hinten sehe ich tatsächlich die angesprochene Markierung. So ungewöhnlich die Idee ist, so wirkungsvoll ist sie, mit einer Handvoll Mehl haben die Nonnen grob ein Rechteck auf den Boden gestreut, und so wissen wir, wo wir anfangen müssen.
»Das wird aber eine Schinderei«, mault Flensen. »Ich glaube, ich hole mir die Gummistiefel.«
»Meinetwegen«, brumme ich und probiere mit der Hacke, wie hart der Boden ist. Ich selbst vertraue lieber auf meine Arbeitsschuhe. Flensen stellt die Lampe auf ein benachbartes Kreuz und stapft zurück.
Der Boden ist nicht hart, nur pappig und klebrig. Das macht die Schaufelei schwer und mühsam, aber man muss Gott sei Dank nicht viel hacken.
Ich habe ja schon mal geschrieben, dass moderne Bestatter nichts mehr mit dem Grabbau zu tun haben. Normalerweise wenigstens. In manchen Regionen ist es aber auch heute noch so, dass ein Bestatter einen ganzen Friedhof bewirtschaftet und auch die Arbeit des Totengräbers mitmacht. Bei uns ist das aber nicht so, und deshalb war ich damals vor fast zwanzig Jahren sehr erstaunt, als mein Schwiegervater – damals noch mein Chef – mit mir zu diesem Kloster fuhr und ich von ihm lernte, wie man so etwas, nur mit Hacke und Schaufel, macht.
Das ging mir so durch den Kopf, als ich gemeinsam mit Flensen das Grab für Schwester Klara schaufelte. Was das bedeutet, das kann nur einer beurteilen, der so was schon mal gemacht hat. Kein Wunder, dass die Serienmörder im Fernsehen ihre Opfer immer nur so tief verbuddeln, dass jeder dahergelaufene Dackel schon am nächsten Morgen einen Fuß oder eine Hand der Leiche hervorscharren kann. Entweder ist nämlich der Boden oben ganz weich und wird dann steinig oder hart, oder man schafft sich erst quasi durch blanken Granit, und dann kommt leichter Sandboden. Egal wie, Plackerei hoch drei ist angesagt.
Zu zweit braucht man wenigstens zweieinhalb Stunden, und das bei Tageslicht. Jetzt aber ist es Nacht, saukalt, und man schwitzt sich trotzdem einen Affen. Die Hände tun mir weh, und ich merke an allen möglichen Stellen, dass ich Blasen bekomme. Meine Bürohände sind solche Arbeit nicht gewohnt, und ich bin froh, dass es Flensen nicht viel bessergeht, dann stehe ich nicht so als Chef-Weichei da, und außerdem bin ich froh, dass er dabei ist, denn der kleine Mann ist eine echte Hilfe, der schafft was weg.
Mir ist so was von heiß, die ungewohnte Arbeit treibt mir den Schweiß aus den Poren, aber immer, wenn ich mal eine Pause mache, ist es mir schlagartig eiskalt. Ich werde mir eine Erkältung holen, das ist sicher!
Trotzdem kommen wir besser voran, als ich gedacht habe. Immer wieder prüft Flensen mit einer Holzlatte, die wir mitgebracht haben, ob die Wände gerade werden, und ist zufrieden: »Der Boden steht gut, wir brauchen nicht auszuschalen, ich hätte jetzt keinen Bock, noch Bretter zu schleppen. « Recht hat er, es ist auch so Arbeit genug, und wieder muss ich an mein warmes Zuhause denken und wie schön es jetzt vor einem knisternden Kaminfeuer wäre.
Ich klettere noch mal in das Grab, um Flensen dabei zu helfen einen größeren Stein rauszuheben, als ich dumpfe Schritte höre. An der Tatsache, dass ich mit meinen 1 Meter 88 Körpergröße noch so gerade eben aus dem Grab herausgucken kann, merke ich, dass wir noch nicht wirklich 1 Meter 80 tief gegraben haben. Der Nebel hat etwas nachgelassen, aber auch der Handscheinwerfer zeigt langsam Schwäche, sein ehemals gleißend weißes Licht ist eher gelb geworden, wahrscheinlich geben die Akkus bald den Geist auf.
Ich blicke suchend in die Dunkelheit, und dann sehe ich, dass eine Nonne näher kommt. »Hallo, sind Sie schon fertig?«
»Jaja«, rufe ich, »nur noch ein paar Minuten.«
»Dann ist ja gut, Schwester Klara ist jetzt auch so weit.«
»Warten Sie«, sage ich, »ich komme mal raus«, und klettere die kleine schmale Leiter hoch, die wir mitgebracht hatten.
Ich klopfe mir den Schmutz von den Hosenbeinen, reibe meine Hände am Hosenboden sauber und reiche der Nonne meine Hand. Sie ergreift diese aber nicht, schaut mich voller Entsetzen an und sagt: »Meine Güte, wie sehen Sie denn aus? Sie sind ja total verschmutzt. Also, Sie kommen nachher erst mal rein, damit Sie sich waschen können. Und wenn Sie wollen, können Sie später noch Suppe essen, das wärmt.«
Die Nonne geht, und ich weiß jetzt nicht, ob sie erwartet, dass ich ihr
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