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Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Titel: Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wilhelm
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folge, dann bleibt sie stehen und schaut mich erwartungsvoll an. Ich folge ihr also. »Kommen Sie, kommen Sie«, sagt die Nonne und rauscht für ihr Alter erstaunlich schnell davon. Ich schätze die Frau auf wenigstens siebzig Jahre und habe dennoch Mühe, ihr zu folgen. An einer Tür wartet sie auf mich, lässt mich zuerst eintreten, rauscht dann wieder an mir vorbei und biegt unvermittelt in einen Gang nach links ab. »Hier geht es in die Kapelle, da ruht Schwester Klara«, sagt sie, und ehe ich noch etwas sagen oder fragen kann, ist sie verschwunden.
    Ich öffne die grob behauene Holztür und stehe in einer schönen gotischen Kapelle, vorne vor dem Altar liegt die Verstorbene, in weiße Tücher gewickelt auf einem Brett, das auf zwei Holzböcken ruht. Links und rechts stehen schmiedeeiserne Leuchter mit halb heruntergebrannten Kerzen.
    An der Wand auf der gegenüberliegenden Seite lehnt schon der kleine Holzkarren für den Abtransport. Ich trete näher heran und will mir das weiße Bündel genauer anschauen, da legt sich eine eiskalte Hand auf meine Schulter, und mir zischt in Sekundenschnelle eine Gänsehaut über den ganzen Körper, ich glaube, ich habe sogar auf der Zunge Gänsehaut gehabt.
    Ich fahre herum, und hinter mir steht Flensen und sagt: »Isse das? Fahr’n wir die jetzt raus?«
    »So haben wir das immer gemacht«, sage ich, »wir nehmen sie jetzt mit, dann tun wir den Sarg ins Grab und lassen sie dann hinein. Deckel drauf und zuschaufeln.«
    »Ach du heilige Scheiße, stimmt ja, zuschaufeln müssen wir ja auch noch!«, ruft Flensen, und ich werfe ihm einen strengen Blick zu. In einer Kapelle zu fluchen bringt bestimmt Unglück.
    Und mein Bedarf an Unglücken ist für heute gedeckt, schließlich haben wir noch vor gut zwei Stunden im Waldboden festgesteckt.
    Schwester Klara ist leicht, ich hätte sie alleine auf den Holzkarren heben können, aber zu zweit geht das doch besser. Während Flensen und ich die Karre mit der eingewickelten Leiche zum kleineren der beiden Klosterfriedhöfe schieben, denke ich über den Bestattungsritus dieses Ordens nach. Offenbar gibt man nicht viel auf die Totenfürsorge. Soviel ich weiß, wachen die anderen Schwestern eine Weile bei der Toten, danach ist der Leichnam nur noch leblose Hülle, und sie messen ihm keine besondere Bedeutung mehr bei. Der Friedhof und die Tatsache, dass keine der Schwestern bei der Grablegung dabei ist, sprechen dafür. Ob da noch ein Priester eine Aussegnung gemacht hat? Ich weiß es nicht.
    Jedenfalls sind die Papiere da, Sterbeurkunde, klösterlicher Bestattungschein, alles perfekt.
    Die Schwestern legen mir die Papiere immer zur Leiche, ich brauche sie aber nicht. Ich stelle mir vor, wie eine der Schwestern mit den Papieren, die der Dorfarzt dagelassen hat, zum Rathaus radelt und die Sterbeurkunde holt. Offenbar bekommen die auch regelmäßig schon aus Traditionsgründen eine Sondergenehmigung, die Bestattung so schnell vornehmen zu dürfen. Nicht alle Nonnen kommen ja auf den Klosterfriedhof. Die meisten werden wohl in ihrer Heimatgemeinde bestattet, ich muss irgendwann mal genau fragen. Jedenfalls hatte man mir schon einmal erzählt, dass in dieses Kloster vornehmlich die ganz alten Schwestern kommen, die lange irgendwo Dienst getan haben.
    Vor hundert Jahren gab es gleich nebenan auch ein Männerkloster, das einen viel größeren Friedhof hat. Aber das Männerkloster steht schon so lange leer, und ich weiß gar nicht, wann wir die letzte Bestattung auf dem größeren Friedhof, wo es eine Männer- und eine Frauenabteilung gibt, gemacht haben.
    Eigentlich sind das viele Fragen, die mir da so in den Sinn kommen, und ich beschließe, nachher bei der Suppe mal zu fragen.
    Wir sind endlich mit der Karre am Grab angekommen, lassen sie stehen und gehen zum Auto zurück. Flensen wendet den Wagen und schaltet die Scheinwerfer ein, damit wir mehr Licht am Grab haben. Der Sarg, den wir zum Grab tragen, ist fast schwerer als Schwester Klara.
    Flensen treibt zur Eile, und ich merke, dass er keine Lust mehr hat und jetzt allmählich wieder nach Hause will.
    Mir geht es ebenso, und so beeilen wir uns, den Sargunterkasten in das Grab zu lassen. Jetzt noch Schwester Klara, dann der Deckel.
    »Und wie geht das jetzt?«, will Flensen wissen. Ich sage: »Ein Tau um den Oberkörper, eins um die Beine, jeder von uns nimmt zwei Tauenden, Sie oben, ich unten und dann einfach runterlassen.«
    »Dann geh ich aber an die Füße«, verlangt Flensen, und ich sehe

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