Frühstück im Bett
»Ich fürchte«, gestand Pen, »dass ich mich
nicht gut benehme. Meine Tante sagt, meine
Erziehung sei beklagenswert.«
Penelope und der Dandy, von Georgette Heyer
1
N un war das wilde Mädchen aus Parrish, Mississippi, in die Stadt zurückgekehrt, die es einst hinter sich gelassen hatte. Sugar Beth Carey schaute von der regennassen Windschutzscheibe zu dem grässlichen Hund, der neben ihr auf dem Beifahrersitz lag.
»Was du denkst, weiß ich nur zu gut, Gordon. Also sag’s. Hochmut kommt vor dem Fall. Nicht wahr?« Sie lachte bitter. »Zum Teufel mit dir – es ist nur …« Erbost blinzelte sie durch einen brennenden Tränenschleier. »Ach, zum Teufel mit dir!«
Gordon hob den Kopf und starrte sie höhnisch an. Natürlich hielt er sie für Abschaum.
»Da irrst du dich.« Um sich vor der Kälte im späten Februar zu schützen, schaltete sie die Heizung ihres alten Volvos ein. »Diese Stadt wurde von Griffin und Diddie Carey regiert, und ich war ihre Prinzessin – das Mädchen, das die Welt in Brand stecken würde.«
In ihrer Fantasie ertönte heiseres Basset-Gelächter.
So wie die Häuserreihe mit den Wellblechdächern, an der sie gerade vorbeigefahren war, wirkte auch Sugar Beth etwas mitgenommen. Das schulterlange blonde Haar glänzte nicht mehr so hell wie früher, die winzigen goldenen Herzen an den Ohrläppchen hatten aufgehört, fröhlich zu tanzen. Den Schmollmund drängte es nicht mehr zu einem koketten Lächeln.
Und die Baby-Doll-Wangen hatten ihre Unschuld drei Ehemännern geopfert.
Die erstaunlich klaren blauen Augen wurden immer noch von dichten Wimpern umrahmt. Aber in den Augenwinkeln zeigten sich zu viele zarte Krähenfüße. Vor fünfzehn Jahren war sie das bestgekleidete Mädchen von Parrish gewesen. Jetzt klaffte ein Loch in der Sohle eines ihrer halbhohen Stiletto-Stiefel. Und das hautenge grellrote Strickkleid mit dem züchtigen Rollkragen und dem weniger sittsamen Rocksaum stammte nicht aus einer luxuriösen Boutique, sondern aus einem Discount-Laden.
In den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts war Parrish als Baumwollstadt im nordöstlichen Mississippi zum Leben erwacht. Später entkam es den Fackeln der Union Army, der Besatzungsmacht, dank der listenreichen weiblichen Bevölkerung, die den Jungs in Blau mit hartnäckigem Charme und unerschütterlicher Südstaatengastfreundschaft begegnete. Und so hatte es keiner übers Herz gebracht, das erste Streichholz zu entzünden. Sugar Beth war ein direkter Abkömmling jener Frauen. Aber an solchen Tagen fiel es ihr schwer, sich daran zu erinnern.
Während sie sich der Shorty Smith Road näherte, beschleunigte sie die Scheibenwischer und betrachtete das einstöckige Haus, das am Ende der Straße stand – an diesem Sonntagnachmittag menschenleer. Aufgrund der ökonomischen Erpressung ihres Vaters repräsentierte die Parrish High School eines der wenigen erfolgreichen Experimente des Tiefen Südens mit der Rassenintegration in der Schulbildung. Vor vielen Jahren hatte sie das Kommando in diesen Korridoren geführt. Sie allein entschied, wer am besten Tisch in der Cafeteria sitzen durfte, welche Jungs sich für Dates eigneten und ob eine imitierte Gucci-Tasche okay wäre, wenn der Daddy nicht Griffin Carey hieß und man sich keine echte leisten konnte. Blond und göttlich, beherrschte sie den schulischen Alltag unangefochten. Nicht immer war sie eine gütige Diktatorin.
Aber ihre Macht wurde nur selten in Frage gestellt, nicht einmal von den Lehrern. Ein Mädchen versuchte es und scheiterte kläglich. Arme Winnie Davis … Was hatte eine ungeschickte, unsichere dumme Kuh schon gegen Sugar Beth Careys Macht ausrichten können?
Als sie durch den Nieselregen zur High School hinüberschaute, begann die alte Musik in ihrem Kopf zu vibrieren: INXS, Miami Sound Machine, Prince. Wenn in jenen Tagen Elton Johns »Candle in the Wind« erklungen war, hatte er Marilyn besungen.
1988. Das letzte Jahr, in dem ihr die Welt gehört hatte.
Gordon furzte.
»O Gott, ich hasse dich, du elender Hund.«
Wie Gordons verächtliche Miene verriet, war ihm das völlig egal. Im Grunde genommen ihr selbst auch.
Sie inspizierte die Benzinuhr. Inzwischen fuhr sie auf Reserve. Aber sie wollte kein Geld für einen vollen Tank verschwenden, solange sie nicht dazu gezwungen wurde. Wenn man praktisch dachte – wer brauchte schon Benzin, wenn er das Ende der Straße erreicht hatte?
Jetzt bog sie um die Ecke und sah das leere Grundstück, wo früher Ryans
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