Gestohlene Wahrheit
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»Ich weiß es nicht«, flüsterte sie, schüttelte den Kopf und hatte das Gefühl, als wäre gerade eine Bowlingkugel in ihren Magen gefallen.
Sie wollte einfach nur noch weg von Black Knights Inc. Weg von dem tief sitzenden Schmerz und der alles umfassenden Trauer. Weg von all den schrecklichen Erinnerungen an das, was passiert war, und all den zerbrochenen Träumen, die sich niemals realisieren ließen.
Frustration machte sich auf seinem zerklüfteten Gesicht breit. »Gut«, knurrte er. »Du kannst mich nennen, wie du willst.«
Würde es ihn stören, wenn sie ihn ab sofort Arschloch nannte? Denn genau das war er, ein Arschloch. Vor zwei Monaten hätte sie ihm diesen Spruch hingeknallt. Jetzt hatte sie weder die Kraft noch den Wunsch, sich mit ihm zu streiten.
»Die Tatsache bleibt bestehen«, beharrte er, »dass wir es uns nicht leisten können, dich einen ganzen Monat lang zu verlieren.«
»Ich hatte seit über zwei Jahren keinen Urlaub mehr. Jetzt nehme ich mir vier Wochen. Wie gesagt, Dan und die anderen können sich um die Bestellungen kümmern. Außerdem ist das eine gute Gelegenheit für unsere neuen Rekruten, sich die Hände schmutzig zu machen. Es wäre gut, wenn die Knights den Neuen dabei helfen würden, sich ein Konzept und ein Design für ihr eigenes Motorrad auszudenken. Vielleicht entsteht ja so ein wenig Kameradschaft, wer weiß?«
Er machte den Mund auf, aber sie hob eine Hand und hielt ihn davon ab, etwas zu sagen. »Ich bitte nicht um Erlaubnis. Ich teile es dir mit. Ich nehme mir diesen Monat frei. Ich brauche mal eine Pause. Über diesem ganzen Laden hängt eine schwarze Wolke, die mich langsam erdrückt. Ich drehe durch, wenn ich nur noch eine einzige Stunde hier verbringen muss.«
Er klappte den Mund zu, und sie sah unbeteiligt mit an, wie er die Muskeln in seinem Kiefer anspannte.
Er würde sie nicht feuern. Oder vielleicht doch.
Interessierte es sie überhaupt?
Wow, selbst das konnte sie nicht einmal mehr mit Gewissheit sagen.
»Wo fährst du hin?«, wollte er schließlich wissen, während in seinen Augen resignierter Zorn loderte.
»Auf die Seychellen und danach nach Madagaskar«, antwortete sie. »Ich begleite eine Freundin, die dort Forschungen für ihre Doktorarbeit macht.«
»Das ist ganz schön weit weg.«
»Darum geht es doch gerade.«
Dann schwiegen sie beide, und er musterte ihr Gesicht. Die Moleküle in der Luft zwischen ihnen begannen zu vibrieren.
Wo war das verdammte Messer, mit dem man die Luft durchschneiden konnte, wenn man es brauchte?
»Du läufst doch nicht weg vor …« Er strich sich mit einer Hand durch das Haar und zuckte zusammen, als er seine verletzte Schulter bewegte. Sie hätte ihm am liebsten gesagt, dass er sich endlich operieren lassen sollte, aber sie wusste, dass das nichts brachte. Er wollte nicht für unbestimmte Zeit arbeitsunfähig sein, bis die Genesung abgeschlossen war.
Er war eben dickköpfig. Dickköpfig wie ein Esel.
Doch glücklicherweise war das den ganzen nächsten Monat lang nicht ihr Problem. »Was ich sagen wollte, ist«, fuhr er zögerlich fort, »dass
ich
hoffentlich nicht der Grund dafür bin, dass du wegläufst und einmal um die halbe Welt fährst. Oder bin ich es?«
»Ich laufe weder vor dir noch vor sonst jemandem weg«, versicherte sie ihm und log ihm direkt in sein schrecklich besorgtes Gesicht. »Aber ich komme mal von allem weg.«
»Aber du kommst doch wieder?«
Auf einmal fühlte sie sich unglaublich müde.
»Ich komme wieder. Wer sollte denn sonst für meine wöchentliche Maniküre und Pediküre bezahlen? Außerdem muss ich mir ja auch irgendwie mein Essen verdienen.« Sie versuchte ein Lächeln, aber seiner Miene nach zu urteilen missglückte es.
»Okay.« Er neigte ruckartig den Kopf, bevor er ihr galant die Vordertür aufhielt. Die warme Septembersonne drang in den Flur und blendete sie kurzzeitig. Sie nutzte sie als Ausrede, um ihre Sonnenbrille aufzusetzen, und hoffte, dadurch auch zu verbergen, dass in ihren Augen unerklärlicherweise Tränen glitzerten. »Genieß deinen Urlaub, Rebecca. Entspann dich. Lass deine Sorgen von der Sonne vertreiben.«
Als ob das so einfach wäre. Aber vielleicht, ganz vielleicht, fand sich ja ein netter Junge, der ihr dabei helfen konnte, ihr gebrochenes Herz wieder zu reparieren.
Ja, klar, und vielleicht schneite es ja auch in der Sahara.
»Soll ich dich zum Flughafen bringen?«, fragte er, nahm ihr den Koffer ab und ging neben ihr auf das Tor zu. »Ozzie
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