Gevatter Tod
ICH BRAUCHE NUR EINE – ABWECHSELUNG.
Keeble schob nervös einige Akten, Schnellhefter und Kladden beiseite, fand schließlich ein bestimmtes Blatt und reichte es der finsteren Gestalt.
Tod las einige gekritzelte Sätze.
DAS IST EINE ARBEIT? MAN WIRD DAFÜR BEZAHLT?
»Ja, ja. Mach dich sofort auf den Weg. Keine Sorge, du bist genau richtig für den Job! Aber verrat bloß nicht, daß ich dich schicke.«
Binky galoppierte durch die Nacht, und tief unter den Hufen rollte die Scheibenwelt dahin. Mort stellte fest, daß sein Schwert weiter reichte, als er bisher angenommen hatte, bis hin zu den Sternen. Er schwang es durch die Tiefen des Raums, bohrte es in einen gelben Zwergstern, der daraufhin als Nova zerplatzte. Ein hübscher Funkenregen aus kollabierendem Plasma entstand. Mort richtete sich im Sattel auf, holte noch einmal mit der langen, langen Klinge aus und lachte, als die blaue Flamme übers Firmament sengte. Das Brennen und Flackern ließ nur grauschwarze Asche zurück. Und das Feuer loderte weiter. Mort rang mit dem Schwert, das den Horizont zerschnitt, an hohen Bergrücken entlangschabte, Meere verdampfen ließ und weite grüne Wälder verbrannte. Hinter ihm erklangen Stimmen. Er hörte die Schreie von Freunden und Verwandten, drehte sich verzweifelt um. Heftige Stürme trieben Sand und Staub über ausgedörrten Boden, und Mort versuchte, die Hand vom Heft zu lösen. Aber das Schwert klebte ihm mit eisiger Kälte an den Fingern fest, zwang ihn zu einem unseligen Tanz, der erst enden konnte, wenn nichts mehr lebte.
Als es soweit war, als die Welt starb, trat Mort Tod gegenüber, und der Knochenmann sagte: »Gut gemacht, Junge.«
Und Mort antwortete: MORT.
»Mort! Mort! Wach auf!«
Vage Gedanken und Erinnerungsfragmente zitterten, wie ein rheumatischer Fisch, der sich nach Trockenheit und einer warmen Decke sehnte – und gleichzeitig wußte, daß ihm eine ziemlich bittere Überraschung bevorstand, wenn sein Wunsch in Erfüllung ging. Morts Selbst kämpfte gegen das Zerren der Realität an, klammerte sich an Benommenheit und den Schrecken des Traums fest, doch irgend jemand zog an seinem Ohr.
»Mmmpf?« fragte er.
»Mort!«
»Wsst?«
»Mort, es geht um meinen Vater!«
Er schlug die Augen auf und starrte verwirrt in Ysabells Gesicht. Dann fielen ihm die Ereignisse der vergangenen Nacht ein. Das Gedächtnis holte aus und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
Mort schwang die Beine über den Bettrand, noch immer von Resten des Traums umhüllt.
»Na schön«, brummte er. »Ich gehe sofort zu ihm und erkläre alles.«
»Er ist nicht hier! Und Albert steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch!« Ysabell stand am Bett und hielt ein Taschentuch in zitternden Händen. »Glaubst du, meinem Vater könnte etwas zugestoßen sein?«
Mort blinzelte. »Sei doch nicht dumm!« erwiderte er. »Er ist der Tod.« Der Junge kratzte sich. Er fühlte sich heiß, wie ausgedörrt, und überall juckte es.
»Aber er war noch nie so lange fort! Nicht einmal damals, als in Pseudopolis eine Seuche ausbrach! Ich meine, er muß am Morgen hier sein, um das Hauptbuch auf den neuesten Stand zu bringen und die Knoten auszuarbeiten und…«
Mort griff nach dem Arm des Mädchens. »Schon gut, schon gut«, sagte er möglichst besänftigend. »Ich bin sicher, es ist alles in Ordnung. Beruhige dich jetzt. Ich gehe los und sehe nach dem Rechten… Warum kneifst du die Augen zu?«
»Zieh dir bitte etwas an, Mort«, sagte Ysabell. Es klang ein wenig gepreßt.
Mort sah an sich hinab.
»Entschuldige«, murmelte er. »Ich wußte nicht… Wer hat mich zu Bett gebracht?«
»Ich«, erwiderte Ysabell. »Aber ich habe weggesehen.«
Mort sprang in die Hose, streifte sich hastig das Hemd über und eilte zu Tods Büro, dichtauf gefolgt von Ysabell. Albert wartete dort, und hüpfte von einem Bein aufs andere, tanzte wie auf glühenden Kohlen. Als Mort eintrat, brachte das Gesicht des alten Mannes fast so etwas wie Dankbarkeit zum Ausdruck.
Und in seinen Augen glänzten Tränen.
Mort starrte Albert verblüfft an.
»Er hat nicht auf seinem Stuhl gesessen«, klagte der ehemalige Zauberer.
»Warum ist das so wichtig?« fragte Mort. »Mein Großvater kam tagelang nicht nach Hause, wenn er auf dem Markt gute Geschäfte abschließen konnte.«
»Er ist immer hier gewesen«, sagte Albert. »Seit ich ihn kenne, sitzt er jeden Morgen an seinem Schreibtisch und berechnet die Knoten. Das ist seine Pflicht. Und Tod nahm sie immer mit großem
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