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Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Ysabell seinen gehorsamen Körper durch den Flur dirigierte. Es blieb ihm überhaupt keine andere Wahl: Er mußte seinem Lehrmeister alles erzählen. Eigentlich war Tod gar nicht so übel. Vielleicht zeigte er Verständnis. Vielleicht half er. Es kam nur darauf an, alles richtig zu erklären. Anschließend konnte er sich endlich von seinen Sorgen befreien und schla…
     
    »Und wo warst du vorher beschäftigt?«
    WIE BITTE?
    »Womit hast du dir deinen Lebensunterhalt verdient?« fragte der junge Mann hinter dem Schreibtisch.
    Die Gestalt ihm gegenüber rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her.
    ICH HABE SEELEN INS JENSEITS GELEITET. ICH WAR DAS ENDE ALLER HOFFNUNGEN. ICH WAR DIE EXTREME REALITÄT. ICH WAR DER MÖRDER, DER SICH VON KEINER NOCH SO FEST VERSCHLOSSENEN TÜR AUFHALTEN LIESS.
    »Ja, ich verstehe. Aber beherrschst du irgendwelche besonderen Fertigkeiten?«
    Tod überlegte.
    WIE WÄR'S MIT ERFAHRUNGEN IM UMGANG MIT GEWISSEN LANDWIRTSCHAFTLICHEN WERKZEUGEN? erwiderte er schließlich. Der junge Mann schüttelte den Kopf. NEIN?
    »Dies ist eine Stadt, Herr…« Er senkte den Blick und spürte erneut ein diffuses Unbehagen, das er nicht zu ergründen vermochte. »Herr… Herr… Herr…« Er gab es auf. »Hier bei uns gibt es nicht viele Felder und Äcker.«
    Er legte den Schreibstift beiseite und zeigte ein einstudiertes Lächeln. Es wirkte pergamentartig und schien aus einem Buch zu stammen.
    In Ankh-Morpork war der Fortschritt noch nicht weit genug fortgeschritten, um ein Arbeitsamt zu erfordern. Wer einer geregelten Arbeit nachging, trat die Nachfolge seines Vaters an. Es gab auch Leute, die natürliche Begabungen aufwiesen, sich durch eine besondere Tüchtigkeit auszeichneten und durch Mund-zu-Mund-Propaganda eine Anstellung fanden. Andererseits herrschte ein wachsender Bedarf an Bediensteten und Lakaien, und angesichts eines beginnenden Konjunkturaufschwungs in den Geschäftsbereichen der Stadt hatte Liona Keeble (so hieß der junge Mann hinter dem Schreibtisch) den Beruf des Arbeitsvermittlers erfunden. Derzeit sah er sich in diesem Zusammenhang mit einigen Problemen konfrontiert.
    »Mein lieber Herr…« Keeble warf einen kurzen Blick auf seine Unterlagen. »Herr… Äh, es kommen viele Leute aus der Provinz hierher, die meisten in der irrigen Annahme, in Ankh-Morpork sei das Leben leichter und angenehmer. Bitte erlaube mir, ganz offen zu sein: Du scheinst mir ein Ehrenmann zu sein, der in der letzten Zeit ein wenig, äh, Pech hatte. Es wundert mich, daß du dir eine eher, nun, banale Tätigkeit wünschst.« Erneut sah er auf die Schriftstücke. »Hier steht, du möchtest irgendeine nette Beschäftigung, bei der du ›lieben Katzen und duftenden Blumen‹ Gesellschaft leisten kannst.«
    TUT MIR LEID. ICH DACHTE, ES SEI ZEIT FÜR EINE ABWECHSLUNG.
    »Kannst du ein Musikinstrument spielen?«
    NEIN.
    »Wie ist es mit dem Tischlern?«
    KEINE AHNUNG. ICH HAB NOCH KEINEN HOBEL IN DER HAND GEHALTEN. Tod starrte zu Boden. Vage Verlegenheit regte sich in ihm.
    Keeble schob die Unterlagen beiseite und seufzte.
    ICH KANN DURCH WÄNDE GEHEN, sagte Tod, als er spürte, daß die Unterhaltung in einer verbalen Sackgasse zu enden drohte.
    Keeble strahlte. »Das würde ich gern sehen«, erwiderte er. »Es wäre eine durchaus interessante Qualifikation.«
    IN ORDNUNG.
    Tod stand auf, schob den Stuhl zurück und näherte sich zuversichtlich der nächsten Wand.
    AUTSCH.
    Keeble beobachtete ihn erwartungsvoll. »Nun?« fragte er.
    HM. DIES IST EINE GANZ GEWÖHNLICHE MAUER?
    »Ich glaube schon. Allerdings bin ich kein Experte auf diesem Gebiet.«
    SIE SCHEINT SICH MIR ZU WIDERSETZEN.
    »Den Eindruck habe ich auch.«
    WIE NENNT MAN DAS GEFÜHL, WENN MAN SICH GANZ KLEIN VORKOMMT UND GLÜHT?
    Keeble drehte seinen Schreibstift hin und her.
    »Meinst du einen zornigen Pygmäen?«
    DAS WORT HAT IRGEND ETWAS MIT FALLEN ZU TUN.
    »Bestürzt?«
    JA, sagte Tod und fügte sofort hinzu. JA. ICH BIN BESTÜRZT. UND AUCH BESCHÄMT.
    Keeble räusperte sich. »Mir scheint, du hast weder besondere Fähigkeiten noch irgendwelche speziellen Talente. Vielleicht solltest du dich als Lehrer versuchen.«
    Tods Gesicht war eine Fratze des Entsetzens. Nun, diese Beschreibung traf eigentlich immer zu, aber diesmal steckte Absicht dahinter.
    »Weißt du«, fuhr Keeble freundlich fort, legte den Stift neben die Schriftstücke und preßte die Fingerspitzen aneinander, »viele Leute besuchen mich und hoffen, daß ich ihnen zu einer neuen beruflichen

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