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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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im leichten Regen, aus dem jeden Moment hätte Schnee werden können, da freilich wäre Wind beinahe von einemschmalen Schotterweg abgerutscht und den steilen Hang hinuntergerollt. Das ist nun, dachte er, schon der dritte Unglücksweg, den ich ab sofort nicht mehr gehen darf, um das Schicksal nicht herauszufordern. Allmählich versperrt sich mir die ganze Gegend. In allen Himmelsrichtungen stellt sie Verbotsschilder für mich auf.
    So, dachte er heiter, würde ich denken, wenn ich, was ich nicht bin, furchtsam, wenn ich ein bißchen ängstlich wäre und abergläubisch zwischen den Felsen.
Die dreizehnte Sage
    Was Wind nie erfahren wird: Im folgenden Juni lud der Jäger drei andere Gäste in seine Hütte und erzählte ihnen in gemütlicher Runde, wie gewohnt und wie er mußte, pünktlich die zwölf Sagen. Diesmal jedoch trank er ein Glas zuviel. Es gelang ihm nicht, sich rechtzeitig zu beherrschen. Nach Mitternacht hängte er, wär doch gelacht, eine dreizehnte an. Was würde geschehen?
    Natürlich nichts! Es passierte nicht das Geringste. Das Feuer flackerte friedlich, kein Flämmchen zuckte stärker als sonst. Wie wurde da mit den Augen gezwinkert, vernünftig geschmunzelt ringsum und noch eine Flasche und noch eine geöffnet! Alles gutgegangen.
    Der Jäger indessen spürte, bei prächtiger Gesundheit, fortan einen kleinen Hohlraum in sich, eine winzige unvergängliche Leere.
Familiäres
    Eine junge Frau, Eva Wilkens, die erst vor zwei Wochen ihrem Freund Klaus den Laufpaß gegeben hatte, traf sich im Berliner Hauptbahnhof in einer Kamps-Filiale mit ihren Eltern zu einem Kaffee. Sie wirkte ungeduldig, fast schon gereizt, denn am nächsten Morgen wollte sie von ihrem durch große Bedürfnislosigkeit ersparten Geld für drei Monate, so behauptete sie, nachAmerika. Da, während sie noch einmal die wichtigsten Punkte von Reise und Aufenthalt durchgingen, überfiel das Mädchen ganz unerwartet das heiße Bedürfnis, statt den beiden ihr so freundlich Gegenübersitzenden davonzufliegen, sich mit ihnen inbrünstig zu verbinden, unauflöslich, und so mit ihnen zu … verschweben für alle Zeit.
Orchideen
    In Berlin, im Gewächshaus D des Botanischen Gartens, als draußen alles kalt und kahl war, saßen zwei Botanikstudenten mit ihren Kleinen bei den Orchideen. Sie fotografierten die einander übertrumpfenden Rachen und Schlünde, und man hörte sie abwechselnd lateinische Blumennamen, dann wieder Wörter in Kindersprache rufen. Der mit dem Kinnbärtchen meinte, manche der Blüten schnitten regelrechte Fratzen vor Ausgelassenheit. Der mit dem Zopf sagte, als er dachte, kein anderer würde ihnen zuhören, seine Großmutter habe, apropos Übermut, eines Tages Besuch vom Tiefseeforscher Hans Hass bekommen, der auf ihrer blütenweißen Tischdecke ein paar Tropfen Rotwein verschüttete, was ihn sehr beschämt habe. Daraufhin sei die Großmutter, um ihm jede Peinlichkeit zu ersparen, in Gelächter ausgebrochen: »Und das soll schlimm sein?«, und habe den gesamten restlichen Flascheninhalt unter dem Ausruf: »Macht doch überhaupt nichts!«, über der Tischdecke ausgeleert.
    Der mit dem Kinnbärtchen antwortete daraufhin gutgelaunt, ein Nachbar habe versehentlich den Hund seiner Schwester überfahren, was den Mann sehr schmerzte. Daraufhin habe die Schwester, die Ute, auch noch ihre Katze verstoßen, nur um den unglücklichen Bruder mit seiner Tat nicht allein zu lassen.
    Nun konnte es die schon mehr als matronenhafte, normalerweise höchst ehrenwerte Frau Knochendöppel, Mutter eines gewissen Graf Otto und in Berlin auf Besuch, die hinter einem Gebüsch gefüllte Schokolade gegessen und alles mit angehört hatte,nicht lassen, es überfiel sie einfach, es mußte raus aus ihr. Sie mischte sich ein: »Herr Moßmann hat im Zorn meinen Vater umgebracht durch Fahrlässigkeit. Danach war er der unseligste Mann der Welt. Da ging ich hin und sagte ihm: ›Nehmen Sie es nicht zu schwer, Sie sind nicht der einzige schuldhaft Verstrickte auf dieser Welt‹, und habe, ihm zum Trost, seine Mutter die Treppe runtergestürzt.«
    Später schämte sich die redliche Frau des Schlossermeisters sehr wegen ihrer Lüge und begriff sich selbst nicht.
    Wie aber kam es zu solchen Geschichten? Es lag bestimmt an der schwülen Treibhausluft und den flunkernden Grimassen der Orchideen. Auch waren die Kinderchen der Studenten gottlob noch viel zu klein, um Schaden zu nehmen.
Künstliches Frühstücken
    Dem Botanischen Garten in Berlin ist ein Museum mit

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