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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Ein Vierteljahrhundert später, am 16. November, hörten sie durch Zufall wieder voneinander, und zwar anläßlich einer telefonischen Nachforschung, bei der es natürlich um ganz anderes ging. Ohne sich lange bei der Überraschung aufzuhalten, sagte Martha, sie habe sich furchtbar geschämt, als sie damals den Topf von ihr, Elisabeth, zurückerhalten habe. Er sei so vorwurfsvoll poliert gewesen, poliert wie neuwertig, nein, wie nicht einmal beim Kauf.
    »Aber nein, nein, um Gottes willen, nein und nein«, rief daraufhin Elisabeth, die den Vorfall vollständig vergessen hatte. »Du galtest als hundertprozentige Hausfrau, genannt ›Martha ohne Makel‹. Ich hatte bloß Angst, mich vor dir zu blamieren, vor dir und deinem kritischen Blick.«
    Wie auch immer, sie vertieften, was sie bereits vor fünfundzwanzig Jahren unterlassen hatten, bei der neuen Gelegenheit,obschon mittlerweile geschieden oder verwitwet, jedenfalls einsam, die Bekanntschaft durchaus nicht. Es war ihnen, als würde sie ein unüberwindbarer Graben trennen, ein brenzliges Köcheln, ein unguter Dampf.
    Im kalten Moskau aber erschlugen am Tag des Telefonats drei Obdachlose, arme Soldaten aus dem russischen Afghanistan-Krieg und jetzt für alle Zeit abgebrühte Veteranen, einen jungen, erst fünfundzwanzigjährigen Mann. Einen Teil der Leiche verspeisten sie gemeinsam, den Rest verkauften sie an den Besitzer einer Imbißbude, wo man ihn weiterverwertete, bevor man dem kannibalischen Trio auf die Schliche kam und sich über die Unmenschen entsetzte.
Rätsel
    Was versteht man eigentlich unter translationaler (also nicht: transnationaler) Medizin? Und was ist eine Xenotransplantation? Weder Martha Bauer noch Elisabeth Schneider konnten auf die Frage, die in einer beliebten Zeitschrift auftauchte, eine Antwort geben. Die Frau eines gewissen, von seiner Sportverletzung geheilten, jedoch nicht mehr in seinen Beruf zurückgekehrten Erwin (eines Westfalen), mit deren Herz es seit zwei Jahren eine besondere Bewandtnis hat, die wüßte wenigstens ein bißchen darüber zu sagen, was angesichts ihrer medizinisch hochheiklen Situation ja auch kaum überrascht.
Blicke
    Peter, gerade Vater geworden und Ehemann von Elsas Floristin, besuchte aus alter Anhänglichkeit und neuem Familienbewußtsein seine Großmutter in der Chamissostraße. »Als ich so frisch war wie du, Peter, da las ich in der Zeitschrift Kristall ›Perlon, das deutsche Nylon. Zwei verschiedene Kunstfasern – und doch miteinander verwandt‹. Das geht mir seit heute früh im Kopf herum, und prompt kommst du und besuchst mich!« Hatte sienicht Tränen in den Augen, als sie da so allein in ihrem Sessel saß? »Wie lange ist das nur her! Ich bin nun eine Greisin und ganz verschrumpelt.«
    Der dumme junge Vater erschrak in seinem Glück. Da fiel ihm etwas ein, was er einer alten Frau sicher schnell zum Abschied sagen konnte: »Ich glaube, für die Augen deines lieben Gottes bist du genauso reizend und faltenlos wie unser Kind, dein kleiner Urenkel Peter-Klaus, ja, das glaube ich.«
    Welches unverhoffte Wunder geschah daraufhin?
    Das Gesicht der Großmutter glättete und verjüngte sich unter den hingesprochenen Worten gewaltig. Für einen Moment verschwanden alle Runzeln, ganz so wie einige Zeit nach dessen Geburt bei dem winzigen Säugling Peter-Klaus, dort natürlich für länger.
    Wie staunte der Enkel da über seine Macht!
Merkwürdiges Auspacken
    Eine junge Frau, Eva Wilkens, begann am 16. November, sobald sie im Zug von Frankfurt nach Berlin an einem Vierertisch Platz genommen hatte, langsam wie ein Zweizehenfaultier, aus einer großen Tasche eine Saftflasche hervorzuholen, eine Tafel Schokolade, ein Buch, zwei Äpfel, eine Packung Müsliriegel, eine Sonnenbrille, eine Piccoloflasche Sekt und so weiter, man mochte schon gar nicht mehr mitzählen. Die Augen aller Umsitzenden, die schweigend staunten, überwachten Evas Treiben. Geduldig und unbeschleunigt packte sie alles nacheinander aus und stellte es auf den Tisch, der ihr von den anderen drei Reisenden ohne Einspruch überlassen wurde. Steckte in der ICE-Handlung mit ihren Einzelheiten nicht eine schöne, wenn auch unklare Feierlichkeit? Als die Tasche leer und der Tisch, Stück für Stück, beladen war, verließ sie, kurz vor Hannover, Platz und Dinge, kehrte aber bald mit einem dicken Stoß des saugfähigen Papiers zurück, das auf den Klos der Züge als Handtuch angeboten wird.Damit wischte sie nun, geduldig und unbeschleunigt, Saftflasche,

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