Gewagtes Spiel der Leidenschaft
Woche ein Schock auf den anderen gefolgt. Ihr war nicht mal bekannt gewesen, dass Bitsy ein Kind hatte, aber davon hatte auch der Rest der Familie nichts gewusst. Und doch war Wendy nun verantwortlich für ein vier Monate altes Waisenkind, das Gegenstand eines Sorgerechtsstreits von epischen Dimensionen sein würde. Wenn sie daran dachte, wie verbissen sich die Familie darum stritt, sich um die kleine Peyton Morgan zu kümmern, hätte man meinen können, das Kind bestünde aus massivem Gold. Um eine Chance zu haben, aus diesem Konflikt als Siegerin hervorzugehen, musste Wendy tun, was sie nie hatte tun wollen, und nach Texas zurückkehren. Und das bedeutete, sie musste ihre Stelle bei FMJ kündigen.
Niemand außer Bitsy konnte einem noch aus dem Grab heraus solche Schwierigkeiten bereiten.
Der Gedanke ließ Wendy schnaubend auflachen, aber gleich darauf regte sich wieder die Trauer. Sie kniff die Augen zu und drückte die Handballen gegen ihre Augen. Die Erschöpfung hatte sie mürbegemacht, und wenn sie jetzt der Trauer nachgab, würde sie für die nächsten Wochen ihre Tränen nicht in den Griff bekommen. Für Tränen hatte sie später noch Zeit genug. Im Moment gab es Wichtigeres zu tun.
Wendy fuhr den Computer hoch. Am Abend zuvor hatte sie ihre Kündigung getippt und den Text als E-Mail an ihre Firmenadresse geschickt. Natürlich hätte sie den Brief auch direkt an Ford, Matt und Jonathon senden können. Gestern hatte sie sich sogar noch mit Ford unterhalten, als der anrief, um ihr sein Beileid auszusprechen. Den Brief in gedruckter, unterschriebener Form zu übersenden war nur eine Formalität. Aber sie wollte ihn Jonathon persönlich aushändigen, weil sie fand, dass sie nur so diesen Abschnitt ihres Lebens angemessen abschließen konnte.
Das war sie ihm oder FMJ insgesamt schuldig. Bevor das Chaos in ihrem Leben Einzug hielt, wollte sie sich einen Augenblick Zeit nehmen, um sich von der Wendy, die sie bis zu diesem Moment gewesen war, und von ihrem Leben in Palo Alto zu verabschieden.
Der Computer erwachte mit dem vertrauten Summen und Surren, das eine beruhigende Wirkung auf sie hatte. Ein paar Tastendrucke später war der Brief geöffnet und der Druckauftrag erteilt. Das Geräusch des Druckers schien im noch menschenleeren und völlig stillen Büro nachzuhallen. Um diese Zeit war außer ihr nur Jonathon im Haus, der unmögliche Arbeitszeiten hatte.
Nachdem sie unterschrieben hatte, ließ sie den Brief auf ihrem Schreibtisch liegen und ging zu der Tür, die ihr Büro mit den Räumlichkeiten ihres Chefs verband. Ein Gefühl tiefen Bedauerns überkam sie. Sie legte eine Hand auf die Tür, dann ließ sie mit einem leisen Seufzer den Kopf gegen das kühle Holz sinken, das sich fest und beständig anfühlte. Eine Weile blieb sie so dort stehen, als könnte die Tür ihr etwas von diesen Eigenschaften borgen.
„Du kannst unmöglich Wendy die Schuld geben“, machte Matt Ballard ihm mit einem mahnenden Tonfall deutlich. Im Augenblick befand sich Matt in der Karibik, wo er seine Flitterwochen verbrachte. Deshalb hatten sie die Telefonkonferenz auch zu dieser frühen Stunde angesetzt, denn Matts Frau Claire gestattete ihm nur ein geschäftliches Telefonat am Tag. „Es ist das erste Mal in fünf Jahren, dass sie aus persönlichen Gründen ein paar Tage freigenommen hat.“
„Ich gebe ihr ja nicht die Schuld …“, sagte Jonathon in den Hörer und bereute bereits, Matt überhaupt angerufen zu haben. Es hatte einen guten Grund dafür gegeben, trotzdem hörte er sich jetzt so an, als wollte er sich nur ausweinen.
„Wann sollte sie denn zurück sein?“, erkundigte sich Matt.
„Das war vor vier Tagen. Sie hat mir gesagt, dass sie für zwei oder maximal drei Tage nach Texas muss. Nach der Beerdigung rief sie mich an, weil sie noch ‚etwas länger‘ bleiben müsse.“ Diese äußerst vage Zeitangabe machte ihn nervös.
„Hör schon auf, dir Sorgen zu machen“, sagte Matt. „Wenn Ford und ich zurück sind, haben wir noch genug Zeit.“ Als ob es nicht schon schlimm genug war, dass Matt mitten in dieser Krise in den Flitterwochen war, hatten sich Ford und seine Familie in ihr zweites Zuhause in New York City zurückgezogen. „Der Entwurf muss erst in knapp einem Monat fertig sein.“
Ja, und genau das machte ihm so zu schaffen. „Knapp ein Monat“ und „genug Zeit“ waren genauso vage Angaben wie „etwas länger“! Jonathon war ein Mann, der klare, präzise Angaben bevorzugte. Wenn er ein Angebot
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