Gewagtes Spiel der Leidenschaft
Berührung.
Auf einmal hörte er es. Jemand weinte in diesem Zimmer, aber es klang nicht nach einer Frau, und es kam eindeutig nicht von Wendy. Verwirrt ging er ein paar Schritte weiter und suchte das Vorzimmer nach der Quelle des Geräuschs ab. Eigentlich war es kein richtiges Weinen, mehr ein leises Wimmern oder ein Winseln, so wie von einem jungen Hund. Aber der Raum schien verlassen zu sein. Als er sich dem Geräusch zu nähern versuchte, eilte Wendy an ihm vorbei und stellte sich ihm in den Weg.
„Ich kann das erklären!“, sagte sie und hielt die Hände so, als wollte sie einen Angreifer abwehren.
„Was erklären?“ Er trat einen Schritt zur Seite, damit er um sie und um ihren Schreibtisch herumgehen konnte. Ihr Bürostuhl war nach hinten geschoben worden, und dort, wo Wendy üblicherweise saß, stand ein Kindersitz, wie man ihn in einem Pkw benutzte. Darin befand sich ein winziges blassrosa Bündel.
Er drehte sich zu Wendy um. „Was ist das?“
„Das ist ein Baby.“
Der Schock war Jonathon deutlich anzusehen.
Man hätte fast meinen können, er hätte in seinem ganzen Leben noch nie ein Baby gesehen. Auch wenn er beruflich nicht mit Säuglingen zu tun hatte, musste er irgendwo schon einmal mit einem Baby in Kontakt gekommen sein. Immerhin war Ford Vater, und Jonathon hatte doch sicher das Kind seines besten Freundes zu Gesicht bekommen.
Sie lief um ihn herum und hockte sich neben den Kindersitz, den sie leicht anstieß, damit er schaukelte. Es half aber nichts, da Peyton weiter quengelte, die Augen verschlafen einen Spaltbreit öffnete und dann Wendy ansah.
Wendy hatte das Gefühl, vor Ergriffenheit nicht atmen zu können, so heftig war ihre instinktive Reaktion auf diese leuchtend blauen Augen. Der einzige Mensch, der je bei ihr etwas annähernd Vergleichbares ausgelöst hatte, war Jonathon, als sie vorhin mit ihm zusammengeprallt war.
Natürlich konnte sie Jonathon nicht bekommen, und sie war klug genug, so etwas auch gar nicht erst zu versuchen. Aber dafür hatte sie jetzt ja Peyton, und sie würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um das Mädchen zu behalten.
Sie löste den Gurt am Kindersitz und nahm das in eine pinkfarbene Baumwolldecke gewickelte Kind hoch, um es an ihre Brust zu schmiegen. Behutsam drückte sie die Lippen an den Kopf der Kleinen und summte eine besänftigende Melodie. Dabei atmete sie das Aroma von Babyshampoo und purer Liebe ein.
Mit einem Mal fühlte sie sich verlegen, und als sie aufsah, stellte sie fest, dass Jonathon sie ratlos anschaute.
Sie versuchte zu lächeln, aber ihre Gefühle wechselten einfach zu heftig die Richtung, als dass sie dieses Lächeln hätte durchhalten können. „Jonathon, darf ich vorstellen? Peyton.“
„Soso.“ Er sah das Baby an, dann sie, gleich darauf schaute er sich um, als würde er nach dem Raumschiff suchen, das das Kind in ihrem Büro abgesetzt hatte. „Und was macht Peyton hier?“
„Peyton ist hier, weil ich sie mitgebracht habe.“ Was womöglich gar kein so kluger Zug gewesen war, aber als sie am Abend zuvor mit dem Mädchen aus Boulder, Colorado, hergekommen war, da konnte sie noch auf keine zweiundsiebzig Stunden Erfahrung im Umgang mit einem Säugling zurückblicken, und sie hatte keine andere Lösung gewusst, als Peyton ins Büro mitzunehmen. „Ich habe niemanden, der auf sie aufpassen könnte. Außerdem glaube ich nicht, dass sie schon so weit ist, um von einem Fremden beaufsichtigt zu werden. Ich meine, ich bin ihr ja auch noch fremd genug, und …“
„Wendy, wieso haben Sie ein Baby dabei?“, unterbrach Jonathon sie und warf einen argwöhnischen Blick auf ihren Bauch. „Das ist doch nicht … Ihres, oder?“
Sie war froh, dass er ihr ins Wort gefallen war, da sie angefangen hatte, wirres Zeug zu reden. Gleichzeitig aber fürchtete sie sich vor der Unterhaltung, die nun folgen würde, da sie wusste, ihm würde nicht gefallen, was sie ihm zu sagen hatte. Doch als sie dann die Kleine ansah, musste sie unwillkürlich lachen.
„Nein, ich bin nicht eine Woche lang weg gewesen, um schwanger zu werden und nach ein paar Tagen ein vier Monate altes Baby zur Welt zu bringen. Sie …“ Ihre Kehle war wie zugeschnürt, trotzdem zwang sie sich, das zu sagen, was sie zu sagen hatte. „Sie ist die Tochter meiner Cousine. Bitsy hatte mich zur Pflegemutter ihres Kindes bestimmt. Deshalb ist sie jetzt bei mir.“
Es folgte ein langes Schweigen, während dem Jonathon völlig reglos dastand und keine Miene verzog, bis
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