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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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das ganze Verfahren auch sparen können. Der Richter war jung und machte einen sehr ehrgeizigen Eindruck. Bereits seine ersten Äußerungen machten deutlich, dass er keinerlei Sympathie für mich hegte. Ich empfand ihn als voreingenommen, aber diesen Eindruck hatte ich zu jener Zeit bei all meinen Begegnungen mit Behördenvertretern. Und der Richter war Teil einer Behörde, die einen Schuldspruch eingefordert hatte. Um jeden Preis. Hier musste ein Exempel statuiert werden. Ich galt als Nestbeschmutzer. Ich hatte das Ansehen des Polizeiapparates beschädigt – ich gehörte bestraft!
    Zu dem WDR-Film wurde der ermittelnde Kriminalhauptkommissar befragt. Der Beamte musste vor Gericht bestätigen, dass er bei der vergrößerten und verlangsamten Darstellung des Videos den erhobenen Arm mitsamt Barhocker nicht meiner Person hätte zuordnen können. Gleichwohl sei zu erkennen, wie ich an die Spitze der Krawalle gestürmt sei und einen mir vor die Füße fliegenden Barhocker aufgehoben hätte.
    Der szenekundige Beamte Gerd Volkerts sagte aus, dass ich seit mindestens fünf Jahren dem harten Kern der Bielefelder Hooligan-Szene zuzurechnen war. Dieser Schuss allerdings ging für Volkerts nach hinten los, als ihn mein Verteidiger in die Mangel nahm: »Mein Mandant wurde über fünf Jahre von Ihnen überwacht? Und hat in dieser Zeit keine Straftaten begangen, ist das richtig so?« »Ja, das ist so richtig.«
    »Herr Schubert geht also gelegentlich mit seinem alten Schulfreund aus. Und hierbei wird er seit fünf Jahren ständig von der Polizei beobachtet. Eine Straftat konnte Herrn Schubert nie zur Last gelegt werden und nun zaubern Sie ein Video hervor, das seit Monaten in Polizeikreisen bekannt war, und basteln daraus eine Anklage wegen Landfriedensbruch?«
    Selbstverständlich verzichteten wir darauf, die zahlreichen Ermittlungsverfahren, die in der Vergangenheit gegen mich gelaufen waren, vor Gericht anzusprechen. Die Anklage aber interessanterweise auch. Während in der Regel bei allen Strafverfahren die Staatsanwaltschaft sämtliche Vergehen eines Angeklagten auflistet, um das »wahre« Gesicht der betreffenden Person aufzuzeigen, blieb dies in meinem Fall aus. Es war den Ermittlungsbehörden schlichtweg zu peinlich, meine Vergangenheit darzulegen und somit einzugestehen, dass man in meinem Fall mehrere Jahre untätig geblieben war. Man hatte mich gewähren lassen, bis der öffentliche Druck zu groß wurde.
    Und so schloss sich der Staatsanwalt in seinem Plädoyer völlig überraschend unserer Argumentation an und revidierte seinen Strafantrag. Das bloße Mitlaufen in einer Menschenmasse sei kein Landfriedensbruch, verkündete er in seinem Schlussvortrag. Den Tatvorwurf des Landfriedensbruchs, könne er somit auch nicht aufrechterhalten. Mein Eindringen in das Foyer der fraglichen Bar sei jedoch als Hausfriedensbruch zu werten und dafür halte er eine deutlich geringere Bestrafung als zunächst gefordert für gerechtfertigt.
    Der junge Richter war sichtlich geschockt. Es gelang ihm nicht, seine Verärgerung über den Staatsanwalt zu verbergen. Man sah dem Richter an, wie erbost er über den Anklagevertreter war, und die Verhandlung wurde zur Urteilsfindung unterbrochen. Eine sehr kurze Unterbrechung, wie ich fand, und eine, die fast darauf schließen ließ, dass der Richter seine mehrere Seiten umfassende Urteilsbegründung bereits am Tag zuvor verfasst hatte. Aber so etwas lässt sich später nie beweisen. Das Amtsgericht Bielefeld verurteilte mich wegen Teilnahme am Landfriedensbruch zu 60 Tagessätzen à 90 Mark, also einer Gesamtstrafe in Höhe von 5400 Mark.
    Mir kam es vor, als könnte ich auch in den Gesichtern der Journalisten ein ungläubiges Staunen erkennen. Dass die Rechtsprechung die Forderungen der Anklagevertretung ignoriert, kommt äußerst selten vor. In seiner Urteilsbegründung sprach der Amtsrichter von vielen ungeklärten Vorfällen, in die ich in all den Jahren ungestraft verwickelt gewesen sei. Und dass ich nicht – wie dargestellt – das unschuldige Opfer einer Kampagne sei. Damit mag er sogar recht haben, dachte ich mir damals, aber dann hätte man mich eben für genau die Verbrechen bestrafen müssen, die ich auch wirklich begangen hatte. Hier aber wurde fast blindwütig ein Exempel statuiert – und das konnte nicht die Aufgabe eines deutschen Gerichts sein.
    Mein Verteidiger war davon überzeugt, dass ich bei einer »normalen« Verhandlung, also ohne den enormen öffentlichen Druck wie in

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