Gewalt ist eine Loesung
Kontakt mit den Bürgern treten. Ganz so, wie von der Presse gefordert. Aus diesem Grund wurde mir ein neues Aufgabengebiet zugeteilt: der Funktisch. Ich musste fortan also die Anrufe besorgter Menschen entgegennehmen, Anzeigen auf der Wache fertigen und die Einsätze unserer Dienststelle per Funk koordinieren.
Eine Maßnahme, die verständlich war. Was wäre denn gewesen, wenn ich nach diesem medialen Orkan im Einsatz an den Falschen geraten wäre? An einen, den ich als Hooligan schon einmal in der Mangel hatte? Oder einfach jemand, der behauptet, ich hätte im Dienst unverhältnismäßig hart zugelangt? Einfacher konnte man in jener Zeit kaum zu Schmerzensgeld kommen. Leider wurde öffentlich behauptet, dass sich meine Kollegen geweigert hätten, mit mir auf Streifendienst zu gehen. Aber die gesamte 15-köpfige Schicht gab in Einzelgesprächen an, dass sie nichts gegen eine weitere Zusammenarbeit mit mir einzuwenden hätten. Ein feiner Zug.
In erster Linie brauchte ich einen guten, erfahrenen Rechtsanwalt. Der beantragte zunächst einmal Akteneinsicht. Die Polizeiführung und die Staatsanwaltschaft Bielefeld wollten – nicht zuletzt aufgrund des medialen Drucks – das Verfahren beschleunigen und verlangten eine Stellungnahme von meiner Seite. Dieses Tempo nahm mein Rechtsbeistand sofort raus und ich verrichtete weiterhin brav meinen Dienst. In Polizeikreisen wurde der Fall weiterhin kontrovers diskutiert. Für die einen war und blieb ich ein Nestbeschmutzer – andere Kollegen regten sich mehr über die Vorgehensweise des Präsidiums auf. Allen Polizisten war aber auch klar, dass sie aus reinem Selbstschutz vorsichtig mit mir umzugehen hatten. Viel zu groß war die Angst meiner engsten Polizeifreunde, mit in diesen Strudel hineingerissen zu werden. Mit ihnen konnte ich mich nur noch privat – unter fast konspirativen Umständen – treffen.
Von ihnen erfuhr ich nach und nach auch, wie es zu dem verhängnisvollen Zeitungsartikel gekommen war. Der Polizeireporter vom Westfalen-Blatt hatte an dem Abend, als die Schlägerei mit den Kölner Jungs tobte, heimlich den Polizeifunk abgehört. Und dabei auch den Funkspruch mitbekommen, den der SKB Volkerts an jenem Abend abgab. Die Worte, der Polizeibeamte Stefan Schubert sei der Hooligan-Szene zuzurechnen, hatten naturgemäß seinen beruflichen Ehrgeiz geweckt. In der Folgezeit habe der Reporter die Polizeiführung offenbar unter Druck gesetzt und ihr vorgeworfen, sie wolle diese Sache vertuschen.
Dies konnte und wollte die Polizeiführung nicht auf sich sitzen lassen. Ermittlungen waren aufgenommen worden, aber das einzige nach acht Jahren Doppelleben tatsächlich einigermaßen Verwertbare war dieser bereits sechs Monate alte WDR-Film, auf den mich der szenekundige Beamte schon kurz nach der Ausstrahlung angesprochen hatte. Dieser Film wurde – nachdem die hartnäckigen Fragen dieses Zeitungsjournalisten nicht aufhören wollten – wie eine Riesenüberraschung präsentiert und der Öffentlichkeit als akribische Ermittlungsarbeit verkauft.
Teil dieses Deals mit den örtlichen Zeitungen dürfte auch gewesen sein, dass die Blätter nicht über die angeblich zahlreich eingegangenen anonymen Hinweise berichtet hatten, wonach ich schon seit Jahren in schwerste Hooligan-Krawalle verwickelt und mein privater Freundeskreis gewissermaßen identisch mit dem Führungszirkel der Blue Army gewesen sei. Darüber wurde erstaunlicherweise nicht berichtet, denn es hätte ein zu schlechtes Licht auf die Führungsspitze der örtlichen Polizei geworfen und möglicherweise die gute Zusammenarbeit zwischen Polizei und Presse vergiftet.
Dass ich von dem szenekundigen Beamten Volkerts in die Hooligan-Datei des Landeskriminalamtes eingetragen wurde, erfuhr ich aus dem Focus-Bericht. So warf man zu jener Zeit jedem Blatt ein Häppchen Exklusivität hin und stellte alle Beteiligten zufrieden. Und tatsächlich: Als ich einen befreundeten Kollegen darum bat, mir einen Ausdruck aus der LKA-Datei zu besorgen, konnte ich es selbst lesen. Da stand es schwarz auf weiß: »Stefan Schubert. Gefahrenabwehr: Gewalttäter Sport. Kontrolle, so weit nach Polizeirecht zulässig.«
Mir war klar, dass ab diesem Zeitpunkt jeder meiner Schritte in Bielefeld in Bezug auf Fußball und Privatleben überwacht wurde. Zu den Heimspielen der Armina brauchte ich fortan gar nicht mehr zu gehen, was mir aber in jenen Tagen nicht schwerfiel. Die Faszination für Gewalt rund um den Fußball hatte nachgelassen. Meine
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