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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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hätte dabei eine Waffe benutzt. Und diese Waffe sei der Barhocker gewesen.
    Mein Anwalt bestand auf einer erneuten Vorführung des WDR-Filmes. Der Ermittler stoppte das Band an der Stelle, an der ich angeblich mit dem Barhocker zugeschlagen hatte. Auf dem Standbild sah man Massentumulte mit etwa 50 oder 60 Beteiligten. Hinter einem großen, umgefallenen Sonnenschirm war ein erhobener Arm erkennbar, der etwas zu halten schien.
    Mein Rechtsanwalt starrte ungläubig auf das Bild. Und dann setzte er zum Gegenschlag an: »Ich verlange, dass dieses Bild vergrößert wird. Sie sehen, dass mein Mandant braune Haare auf den Armen hat. Ich verlange, dass mittels dieser Aufnahme geprüft wird, ob auf dem Bild tatsächlich sein Arm zu sehen ist.« Wir hatten diesen Beweisantrag bereits im Vorfeld besprochen, nachdem ich dem Anwalt glaubhaft versichert hatte, bei den Krawallen weder mit Händen oder Füßen noch mit einem Barhocker auf jemanden eingeschlagen zu haben. Der ermittelnde Kriminalhauptkommissar war vorbereitet und hatte sich professionelle Abspielgeräte vom Westdeutschen Rundfunk besorgt. In starker Vergrößerung und verlangsamter Abspielgeschwindigkeit begutachtete er den Film erneut. Und stellte fest, dass auf dem Arm Haare zu erkennen waren. Blonde Haare!
    Aus dem besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs blieb die Teilnahme am Landfriedensbruch übrig. Der gesamte Ermittlungsvorgang zog sich über Monate hin und die Gerichtsverhandlung fand erst zehn Monate nach der Kontrolle bei den Krawallen gegen die Kölner Hooligans statt. Auf der sicheren Seite konnte ich mich noch lange nicht fühlen. Was, wenn die Bielefelder Polizeibehörde in längst geschlossenen Akten doch noch Beweise gegen mich finden und den Prozess mit einem Paukenschlag beginnen würde?
    Ja, ich hatte mich in den vielen Jahren in unzähligen Schlägereien strafbar gemacht. Ja, ich hatte ein Doppelleben als Polizist und Fußball-Hooligan geführt. Ich hatte in zwei Welten gelebt, die nicht miteinander zu vereinbaren waren. Und ja, ich hätte im Zweifel auch dafür geradestehen müssen. Aber das alte Hooligan-Prinzip der »Waffengleichheit« machte mich in diesen Tagen kämpferisch. Wenn sie mich schon drankriegen wollten, dann mit den richtigen Mitteln. Dann für Dinge, die ich wirklich getan hatte. Aber nicht für Auseinandersetzungen, an denen ich mehr oder weniger unbeteiligt war. Das widerstrebte meinem »Rechtsempfinden«.
    Einschlägiges Beweismaterial gegen mich schlummerte in den Archiven von Staatsanwaltschaft und Gericht. Was aber bis dahin gegen mich angeführt wurde, war einfach haarsträubend und zu kons­truiert.

22. Rote Karte –
Im Namen des Volkes
    Die Gerichtsverhandlung wurde schon Tage zuvor in den örtlichen Zeitungen angekündigt. Kamerateams von RTL und WDR und ein halbes Dutzend Pressefotografen hielten drauf, als ich mich dem Gerichtssaal näherte. Kein schönes Gefühl, von dieser Meute bedrängt zu werden, aber ich konnte es nicht verhindern. Das Einzige, was ich tun konnte, war, die Fassung zu bewahren. Die Unsicherheit und Angespanntheit in mir musste ich irgendwie verbergen. Ich verzichtete darauf, mein Gesicht hinter Aktenordnern zu verstecken, wie es sonst häufig bei solchen Prozessen üblich ist. Ich empfand solche Dinge als Schuldbekenntnis oder als ein Zeichen für Angst. Nein, ich wollte mich stellen – ich musste mich stellen.
    Im großen Saal des Amtsgerichts waren die Zuschauerbänke gefüllt. Vorgesetzte, amtliche Behördenvertreter und zahlreiche Journalisten stritten sich um die besten Plätze – ich erfuhr eine Aufmerksamkeit, die ich nie haben wollte und derer ich mir auch in all den Jahren nie bewusst war. Ich hatte mir in der Tat nie überlegt, welche Wogen meine Geschichte schlagen könnte. Natürlich war mir in diesen acht Jahren klar gewesen, dass ich jederzeit auffliegen konnte. Aber meine Gedankenspiele endeten immer mit meinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst. Dass ich ein öffentlicher Mensch werden könnte, hatte ich nie in Betracht gezogen. Und nun war es so weit gekommen.
    Wie abgesprochen machte ich keinerlei Aussagen. Das Reden überließ ich meinem Rechtsanwalt. Und der war mit vollem Einsatz dabei. Mein Verteidiger stellte mich als einen neugierigen Polizis ten dar, der sich aus reinem Interesse den Krawallen genähert hatte. Eine Behauptung, die mir meine Polizeikollegen schon nicht abge- nommen hatten. Aber irgendeiner Strategie mussten wir folgen, sonst hätten wir uns

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