Gewalt
demütiger werden müssten.
Der erste ist Demokratie. Eine demokratische Regierung ist dazu da, Konflikte unter den Bürgern durch die allgemein anerkannte Herrschaft der Gesetze zu lösen, und deshalb sollten Demokratien diese Ethik auch im Umgang mit anderen Staaten nach außen tragen. Ebenso weiß man in jeder Demokratie, wie jede andere Demokratie funktioniert, denn alle sind nach den gleichen rationalen Prinzipien konstruiert und erwachsen weder aus einem Persönlichkeitskult noch aus einem Messiasglauben oder einer chauvinistischen Mission. Das daraus erwachsende Vertrauen zwischen den Demokratien sollte den Hobbes’schen Kreislauf, in dem die Angst vor einem Präventivschlag beide Seiten in Versuchung bringt, einen Präventivschlag zu führen, im Keim ersticken. Und da demokratische Politiker außerdem ihrer Bevölkerung Rechenschaft schuldig sind, werden sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit törichte Kriege anfangen, die ihren Ruhm auf Kosten von Blut und Vermögen ihrer Bürger vermehren.
Die Theorie des Demokratischen Friedens, wie sie heute genannt wird, taugt aus zwei Gründen als Erklärung für den Langen Frieden. Erstens gehen die Trends in die richtige Richtung. Im größten Teil Europas hat die Demokratie erstaunlich flache Wurzeln. Der Ostteil wurde bis 1989 von kommunistischen Diktaturen beherrscht, und Spanien, Portugal und Griechenland waren bis in die 1970 er Jahre faschistische Diktaturen. Deutschland fing einen Weltkrieg als militaristische Monarchie an, wobei es von der österreichisch-ungarischen Monarchie unterstützt wurde, und den Zweiten als Nazi-Diktatur, wobei sich das faschistische Italien anschloss. Selbst Frankreich brauchte fünf Anläufe, um es mit der Demokratie richtig zu machen; dazwischen lagen Monarchie, Kaiserreich und Vichy-Regime. Noch vor nicht allzu langer Zeit glaubten viele Experten, die Demokratie sei zum Untergang verurteilt. Noch 1975 klagte Daniel Patrick Moynihan: »Die liberale Demokratie nach amerikanischem Vorbild gerät zunehmend in den Zustand der Monarchien des 19 . Jahrhunderts: Sie wird zu einer abgehalfterten Regierungsform, die sich hier und da in abgelegenen oder besonderen Regionen noch hält und unter besonderen Umständen sogar gute Dienste leistet, für die Zukunft aber schlicht und einfach ohne Bedeutung ist. Sie zeigt, wie die Welt früher war, aber nicht wohin sie geht.« [705]
Sozialwissenschaftler sollten nie Voraussagen über die Zukunft machen; schon die Vergangenheit vorauszusagen ist schwierig genug. Abbildung 5 - 23 zeigt das Schicksal von Demokratien, Autokratien und Anokratien (Staaten, die weder ganz demokratisch noch ganz autokratisch sind) in den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Jahr, in dem Moynihan den Tod der Demokratie verkündete, war ein Wendepunkt im Verhältnis der Entwicklung verschiedener Regierungsformen, und wie sich herausstellte, ging die Welt insbesondere in den Industrieländern tatsächlich in Richtung der Demokratie. Südeuropa wurde in den 1970 er Jahren vollständig demokratisch, Osteuropa Anfang der 1990 er Jahre. Der einzige europäische Staat, der derzeit als Autokratie eingestuft wird, ist Weißrussland, alle anderen mit Ausnahme Russlands sind vollständig demokratisch. Demokratien haben auch das Übergewicht in ganz Amerika sowie in wichtigen Industrieländern des Pazifikraumes wie Südkorea und Taiwan. [706] Ganz abgesehen von allen Beiträgen, die die Demokratie zum internationalen Frieden leistet, ist sie eine Regierungsform, die ihren eigenen Bürgern nur ein Minimum an Gewalt zumutet; deshalb ist schon der Aufstieg der Demokratie selbst als Meilenstein im historischen Rückgang der Gewalt zu betrachten.
Abbildung 5 – 23 :
Demokratien, Autokratien und Anokratien von 1946 bis 2008
Das zweite Argument, das für den Demokratischen Frieden spricht, ist eine kleine Tatsache, die manchmal zu einem historischen Gesetz erklärt wird. Der frühere britische Premierminister Tony Blair erklärte es 2008 in einem Interview, das Jon Stewart in der US -amerikanischen Fernsehsendung
The Daily Show
mit ihm führte, so:
STEWART : Unser Präsident – sind Sie mit ihm zusammengetroffen? Er ist ein großer Anhänger der Freiheit. Er glaubt, wenn überall Demokratie herrschen würde, gäbe es keine Kämpfe mehr.
BLAIR : Nun ja, es ist eine historische Tatsache, dass nie zwei Demokratien gegeneinander in den Krieg gezogen sind.
STEWART : Darf ich Ihnen eine Frage stellen? Argentinien. Eine
Weitere Kostenlose Bücher