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Gewalt

Gewalt

Titel: Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Pinker
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Demokratie?
    BLAIR : Nun ja, das ist eine Demokratie. Die wählen ihren Präsidenten.
    STEWART : England. Eine Demokratie?
    BLAIR : Mehr oder weniger. Als ich das letzte Mal dort war, war es eine.
    STEWART : Au … Habt ihr nicht gegeneinander gekämpft?
    BLAIR : Damals war Argentinien eigentlich keine Demokratie.
    STEWART : Mist! Ich dachte, ich hätte ihn erwischt.
    Wenn die Industrieländer nach dem Zweiten Weltkrieg demokratisch wurden und wenn Demokratien nie gegeneinander Krieg führen, haben wir eine Erklärung dafür, warum es zwischen Industrieländern nach dem Zweiten Weltkrieg keine bewaffneten Konflikte mehr gab.
    Wie man an Stewarts skeptischen Fragen ablesen kann, wurde die Theorie des Demokratischen Friedens in Frage gestellt, insbesondere nachdem sie 2003 zu einem Aspekt der Begründung für Bushs und Blairs Invasion im Irak geworden war. Geschichtsexperten machten sich einen Spaß daraus, mögliche Gegenbeispiele zu nennen; hier ein paar aus einer Sammlung von White:
    Griechische Kriege, 5 . Jahrhundert v.u.Z.: Athen gegen Syrakus
Punische Kriege, 2 . und 3 . Jahrhundert v.u.Z.: Rom gegen Karthago
Amerikanische Revolution, 1775 – 1783 : Vereinigte Staaten gegen Großbritannien
Französische Revolutionskriege, 1793 – 1799 : Frankreich gegen Großbritannien, die Schweiz und die Niederlande
Krieg von 1812 – 1815 : Vereinigte Staaten gegen Großbritannien
Französisch-Römischer Krieg 1849 : Frankreich gegen die Römische Republik
Amerikanischer Bürgerkrieg, 1861 – 1865 : Vereinigte Staaten gegen die Staaten der Konföderation
Spanisch-amerikanischer Krieg, 1898 : Vereinigte Staaten gegen Spanien
Burenkrieg, 1899 – 1901 : Großbritannien gegen Transvaal und den Oranje-Freistaat
Erster indisch-pakistanischer Krieg 1947 – 1949
Libanonkriege 1978 und 1982 : Israel gegen Libanon
Kroatischer Unabhängigkeitskrieg 1991 – 1992 : Kroatien gegen Jugoslawien
Kosovokrieg 1999 : NATO gegen Jugoslawien
Kargil-Krieg (Dritter Kaschmirkrieg) 1999 : Indien gegen Pakistan
Israelisch-libanesischer Krieg 2006 [707]
    Jedes dieser Gegenbeispiele warf die Frage auf, ob die beteiligten Staaten wirklich demokratisch waren. Griechenland, Rom und die Konföderation waren Sklavenhalterstaaten; Großbritannien war bis 1832 eine Monarchie, in der das Volk nur geringfügige Mitwirkungsrechte hatte. An den anderen Kriegen waren entstehende oder bestenfalls fragwürdige Demokratien wie Libanon, Pakistan, Jugoslawien oder das Frankreich und Spanien des 19 . Jahrhunderts beteiligt. Und bis in die ersten Jahrzehnte des 20 . Jahrhunderts hinein war den Frauen die Mitwirkung verwehrt, die, wie wir noch genauer erfahren werden, sich in ihren Wahlentscheidungen häufig mehr von Friedensliebe leiten lassen als die Männer. Die meisten Vertreter der Theorie vom Demokratischen Frieden sind bereit, die Zeit vor dem 20 . Jahrhundert ebenso außen vor zu lassen wie neue, instabile Demokratien; sie beharren aber darauf, dass seit jener Zeit nie zwei ausgereifte, stabile Demokratien gegeneinander Krieg geführt haben.
    Dagegen wenden Kritiker der Theorie ein, man müsse den Kreis der »Demokratien« nur eng genug fassen, dann enthalte er sehr wenige Staaten und es sei schon nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit kein Wunder, dass kaum einmal Demokratien auf beiden Seiten eines Krieges stehen. Von den Großmächten abgesehen, führen zwei Staaten meist dann gegeneinander Krieg, wenn sie eine gemeinsame Grenze haben; die meisten theoretischen Paarungen sind also aus geographischen Gründen ohnehin ausgeschlossen. Wir müssen nicht die Demokratie ins Spiel bringen, wenn wir erklären wollen, warum Neuseeland und Uruguay oder Belgien und Taiwan nie gegeneinander Krieg geführt haben. Schränkt man die Datenbasis noch weiter ein, indem man auch den ersten Teil der Zeitleiste abschneidet (und sie wie manche Autoren auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg beschränkt), lässt sich der Lange Frieden mit einer eher zynischen Theorie erklären: Seit Beginn des Kalten Krieges haben die Verbündeten der beherrschenden Weltmacht, nämlich der Vereinigten Staaten, nicht mehr gegeneinander gekämpft. Andere Ausdrucksformen des Langen Friedens – darunter die Tatsache, dass die Großmächte nie gegeneinander Krieg führten – lassen sich mit der Theorie des Demokratischen Friedens ohnehin nicht erklären und waren nach Ansicht der Kritiker vermutlich auf die gegenseitige nukleare oder konventionelle Abschreckung zurückzuführen.

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