Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewalt

Gewalt

Titel: Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Pinker
Vom Netzwerk:
voraussagen würde). Stimmen die Residuen beider Gruppen überein, kann man daraus schließen, dass zwischen Rauchen und Herzinfarkt ein Zusammenhang besteht, und zwar über die gemeinsame Korrelation beider Faktoren mit der sportlichen Betätigung hinaus. Misst man außerdem den Umfang des Rauchens zu früheren Zeitpunkten im Leben der Männer und die Häufigkeit späterer Herzinfarkte (um die Möglichkeit auszuschließen, dass Herzinfarkte die Männer zum Rauchen veranlassen statt umgekehrt), gelangt man immer mehr zu der Behauptung, dass Rauchen den Herzinfarkt
verursacht
. Mit der multiplen Regressionsanalyse kann man solche Untersuchungen nicht nur mit zwei zusammenhängenden Vorhersagefaktoren anstellen, sondern mit einer beliebigen Zahl von ihnen.
    Die multiple Regression ist aber mit einem allgemeinen Problem behaftet: Je mehr Vorhersagefaktoren man auseinanderdividieren möchte, desto mehr Daten braucht man, weil immer mehr Variationen in den Daten »aufgebraucht« werden; jede lästige Variable nimmt nämlich möglichst viele Variationen auf, und die Hypothese, für die man sich interessiert, muss mit dem Rest auskommen. Und zum Glück für die Menschheit, aber zum Pech der Sozialwissenschaftler brechen Kriege zwischen Staaten nicht allzu oft aus. Das Correlates of War Project zählt für die Zeit zwischen 1823 und 1997 nur 79 voll ausgeprägte zwischenstaatliche Kriege (bei denen jeweils mindestens 1000 Menschen im Jahr ums Leben kamen), und seit 1900 waren es nur 49  – viel zu wenig für statistische Analysen. Deshalb suchten Russett und Oneal nach einer breiteren Datenbasis. Diese fanden sie in militärisch unterlegten zwischenstaatlichen Spannungen – Vorfälle, bei denen ein Staat seine Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzte, einen Schuss vor den Bug abfeuerte, einen Alarmstart der Kampfflugzeuge anordnete, mit dem Säbel rasselte oder auf andere Weise seine militärischen Muskeln spielen ließ. [711] Wenn man annimmt, dass auf jeden tatsächlich ausgebrochenen Krieg mehrere Zwischenfälle kommen, die ähnliche Ursachen haben, aber kurz vor Ausbruch eines Krieges beigelegt werden, müssten solche Spannungen durch dieselben Ursachen geprägt werden wie die Kriege selbst, so dass sie in den Berechnungen an die Stelle der Kriege treten können. Die Zahl solcher Spannungen beziffert das Correlates of War Project für die Zeit zwischen 1816 und 2001 auf mehr als 2300 , und mit dieser Zahl können selbst datenhungrige Sozialwissenschaftler zufrieden sein. [712]
    Als Erstes stellen Russett und Oneal die Einheiten ihrer Analyse vor: Paare von Staaten, zwischen denen von 1886 bis 2001 zumindest ein gewisses Kriegsrisiko bestand, entweder weil sie Nachbarn waren oder weil es sich bei einem von ihnen um eine Großmacht handelte. Dabei ging es um die Frage, ob zwischen den beiden betreffenden Staaten in dem fraglichen Jahr tatsächlich militärisch unterlegte Spannungen bestanden. Als Nächstes untersuchten die Wissenschaftler, wie demokratisch der
weniger
demokratische der beiden Staaten im Jahr zuvor war; dahinter stand die Annahme, dass auch ein demokratischer, dem Krieg abgeneigter Staat von einem kriegerischen (und vielleicht weniger demokratischen) Gegner in einen Konflikt hineingezogen werden kann. Den demokratischen Niederlanden vorzuwerfen, dass sie 1940 in einen Krieg mit den deutschen Invasoren verwickelt wurden, erscheint alles andere als gerecht; deshalb wurde der Paarung Niederlande-Deutschland von 1940 der abgrundtief schlechte Demokratiewert für das Deutschland des Jahres 1939 zugeordnet.
    Um bei der Entscheidung, ob ein Staat als demokratisch zu bezeichnen ist, der Versuchung der Datenschnüffelei zu entgehen – und zwar insbesondere wenn Staaten sich aufgrund vorgetäuschter Wahlen selbst als Demokratien bezeichneten –, bezogen Russett und Oneal ihre Zahlen aus dem Polity Project, das jedem Staat einen Demokratiewert zwischen 0 und 10 zuordnet; dabei wird bewertet, wie stark seine politischen Prozesse von Konkurrenz geprägt sind, wie offen seine Politiker gewählt werden und welchen Beschränkungen die Macht der Politiker unterliegt. Weiterhin bezogen die Wissenschaftler einige Variablen ein, von denen man damit rechnen kann, dass sie militärische Spannungen durch reine Realpolitik beeinflussen: ob zwei Staaten offiziell verbündet waren (Verbündete kämpfen seltener gegeneinander); ob es sich bei einem von ihnen um eine Großmacht handelte (Großmächte neigen dazu,

Weitere Kostenlose Bücher