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Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Titel: Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marshall B. Rosenberg
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verurteilst, so wirst du selbst verurteilt werden ...
Matthäus 7.1
    Bei meinem Studium der Frage, was uns von unserer einfühlenden Natur entfremdet, habe ich spezifische Formen der Sprache und der Kommunikation identifiziert, von denen ich glaube, daß sie zu unserem gewalttätigen Verhalten uns selbst und anderen gegenüber beitragen. Mit dem Begriff „lebensentfremdende Kommunikation“ meine ich diese Kommunikationsformen.
    Bestimmte Arten der Kommunikation entfremden uns von unserer natürlichen, einfühlsamen Natur.

Moralische Urteile
    Eine Art lebensentfremdender Kommunikation sind moralische Urteile, die anderen Leuten unterstellen, daß sie unrecht haben oder schlecht sind, wenn sie sich nicht unseren Wünschen gemäß verhalten. Beispiele für solche Urteile sind z.B.: „Das Problem mit dir ist, daß du zu selbstsüchtig bist“; „Sie ist faul“; „Die haben Vorurteile“; „Es ist unangemessen“. Schuldzuweisungen, Beleidigungen, Niedermachen, in Schubladen stecken, Kritik, Vergleiche und Diagnosen sind alles Formen von Verurteilungen.
    Der Sufi-Poet Rumi schrieb einst: „Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ Lebensentfremdende Kommunikation jedoch lockt uns in die Falle einer Welt von Annahmen darüber, was richtig und was falsch ist – eine Welt der Urteile. Dazu gehört eine Sprache, reich an Worten, die Handlungen damit abstempelt und bewertend voneinander trennt. Wenn wir diese Sprache sprechen, verurteilen wir andere und ihr Verhalten, während wir damit beschäftigt sind, wer gut oder böse ist, normal, unnormal, verantwortlich, unverantwortlich, gescheit, ignorant usw.
    In der Welt der Urteile drehen sich unsere Gedanken um die Frage: WER „IST“ WIE?
    Lange bevor ich erwachsen wurde, lernte ich, in einer unpersönlichen Art zu kommunizieren: Es war nicht nötig, das, was in mir vorging, anderen zu zeigen. Wenn mir Leute begegneten, deren Verhalten ich entweder nicht mochte oder nicht verstand, dann reagierte ich darauf, indem ich ihr Fehlverhalten definierte. Wenn meine Lehrer mir eine Aufgabe zuwiesen, die ich nicht tun wollte, waren sie „gemein“ oder „unvernünftig“. Wenn jemand im Verkehr direkt vor mir ausscherte, war meine Reaktion: „Du Idiot!“ Wenn wir diese Sprache sprechen, dann kommunizieren wir in Kategorien von „was mit den anderen nicht stimmt, wenn sie sich so und so verhalten“, oder auch gelegentlich „was mit uns selbst nicht stimmt, wenn wir etwas nicht verstehen oder nicht so reagieren, wie wir es gerne tun würden“. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich eher darauf, zuzuordnen, zu analysieren und Ebenen des Fehlverhaltens zu identifizieren, als darauf, was wir und andere brauchen und nicht bekommen. So ist dann auch meine Partnerin „bedürftig und abhängig“, wenn sie mehr Zärtlichkeit möchte, als ich ihr gebe. Aber wenn ich mehr Zärtlichkeit möchte, als sie mir gibt, dann ist sie „unnahbar und unsensibel“. Wenn sich mein Kollege mehr Gedanken über Details macht als ich, ist er „pingelig und zwanghaft“. Andererseits, mache ich mir mehr Gedanken über die Details als er, ist er „schlampig und schlecht organisiert“.
    Analysen von anderen Menschen sind in Wirklichkeit Ausdruck unserer eigenen Bedürfnisse und Werte.
    Es ist meine Überzeugung, daß diese ganzen Analysen des Verhaltens anderer Menschen tragischer Ausdruck unserer eigenen Werte und Bedürfnisse sind. Tragisch aus folgendem Grund: Wenn wir unsere Werte und Bedürfnisse auf diese Weise ausdrücken, erzeugen wir genau bei den Leuten Abwehr und Widerstand, an deren Verhalten uns etwas liegt. Oder: Wenn sie wirklich damit einverstanden sind, sich in Übereinstimmung mit unseren Werten zu verhalten, weil sie unserer Analyse ihres Fehlverhaltens zustimmen, werden sie es sehr wahrscheinlich aus Angst, Schuldgefühl oder Scham tun.
    Wir bezahlen alle teuer dafür, wenn Leute aus Angst, Schuldgefühl oder Scham auf unsere Werte und Bedürfnisse eingehen und nicht aus dem Wunsch heraus, von Herzen zu geben. Früher oder später werden wir die Konsequenzen nachlassenden Wohlwollens von denen zu spüren bekommen, die aus einem Gefühl äußerer oder innerer Nötigung heraus unsere Wünsche erfüllt haben. Sie selbst bezahlen ebenfalls emotional, denn wenn sie etwas mitmachen aus Angst, Schuldgefühl oder Scham, werden sie höchstwahrscheinlich Widerwillen empfinden und einen Teil ihres Selbstbewußtseins einbüßen. Dazu kommt noch, daß

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