Gewitter über Emilienlund: Mittsommerglück (German Edition)
Nicht, dass sie ihn verteidigen wollte – sie konnte ihn im Grunde ja selbst nicht ausstehen –, aber sie konnte Vorurteile einfach nicht ertragen.
Jenna schien die Anspannung ihrer Freundin sofort zu spüren. “Hör mal, was ist los? Mit dir stimmt doch irgendetwas nicht. Jetzt sag schon, hat dein Mr. O’Brannagh es sich etwa anders überlegt? Ihr habt doch einen Vertrag, oder nicht?”
“Ja, den haben wir tatsächlich. Allerdings glaube ich nicht, dass dies jetzt noch relevant ist.”
“Wie bitte?”
“Jenna, ich kann für diesen Mann einfach nicht arbeiten!”
“Und warum nicht, wenn ich fragen darf?”
“Weil dieser Mann einfach unmöglich ist!”
“Unmöglich?”, echote Jenna überrascht. “Das verstehe ich nicht. Im Allgemeinen kommst du doch immer mit jedem gut aus. Ist er denn so abstoßend, dass du seine Gegenwart nicht ertragen kannst?”
Die Frage ihrer Freundin verwirrte sie. “Nein, ich … Ach nein, überhaupt nicht. Wenn ich ehrlich sein soll, er sieht sogar verdammt gut aus. Aber das ist nicht der Punkt.”
“Sondern?”
“Er ist unfreundlich, arrogant und abweisend. Zudem hat er mir bereits einmal klipp und klar zu verstehen gegeben, dass meine Anwesenheit ihm ein Dorn im Auge ist.”
“Aber er hat dich doch eingestellt und …” Für einen Moment herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann räusperte Jenna sich. “Sag mal, es kann nicht vielleicht sein, dass … Also, ich hoffe, du flippst jetzt nicht aus, aber du hast dich nicht vielleicht rein zufällig ein bisschen in diesen Mr. O’Brannagh verknallt?”
Energisch schüttelte Annie den Kopf. “Du machst wohl Scherze! Ich erzähle dir, dass mein Chef ein echtes Ekelpaket ist, und du fragst mich, ob ich in ihn verliebt bin?”
“Nun, es hätte ja immerhin sein können.”
“Nein, meine Liebe, ehe ich auch nur einen Hauch von Zärtlichkeit für diesen Mann empfinde, friert die Hölle zu!” Sie seufzte. “Ach, Jenna, es ist einfach alles schiefgelaufen, was nur schieflaufen konnte. Erst war niemand am Flughafen, um mich abzuholen. Das hat nicht geklappt, weil hier ein ziemliches Unwetter herrschte. Jedenfalls habe ich mir dann einen Mietwagen genommen und habe mich allein auf den Weg gemacht. Aber es hat sehr heftig geregnet, ich konnte kaum was sehen, und da kam es halt zu diesem Unfall.”
“Unfall?”, rief Jenna erschrocken aus. “Mein Gott, Süße, ist dir was passiert?”
“Nein, nein”, sagte Annie schnell, die die Sorge, die in der Stimme ihrer Freundin lag, deutlich heraushören konnte. “Es war zum Glück jemand da, der mir helfen konnte. Grey … Mr. O’Brannagh hat mich aufgelesen und mich mit in seine Hütte genommen, in der er wohl Zuflucht vor dem Sturm gesucht hatte. Ich wusste da aber noch gar nicht, mit wem ich es zu tun hatte. Es gab einen fürchterlichen Streit, und dann bin ich abgehauen.” Sie lachte freudlos auf. “Du kannst dir sicher vorstellen, was ich später für einen Schreck bekam, als ich ihm wieder gegenüberstand – und mir klar wurde, dass er mein Chef ist.”
“Ach du meine Güte”, sagte Jenna nach einem Moment des Schweigens. “Das hört sich in der Tat ziemlich turbulent an.”
“Weißt du was, am besten ist es wohl, ich packe meine Tasche gar nicht erst aus und nehme sofort den nächsten Flieger zurück nach London.”
“Das wirst du schön bleiben lassen”, widersprach ihre Freundin streng.
“Aber …”
“Kein aber! Wie lange liegst du mir schon in den Ohren, dass du ein neues Leben anfangen willst. Und nun, wo du deine große Chance bekommst, willst du kneifen? Das kommt gar nicht infrage, meine Liebe! Außerdem kannst du es dir im Grunde doch gar nicht erlauben, diesen Job aufzugeben. Schon vergessen, dass du deine Wohnung hier in London für die nächsten drei Monate untervermietet hast?”
Gequält schloss Annie die Augen. Daran hatte sie tatsächlich nicht mehr gedacht. Jenna hatte natürlich recht. Und zudem gab es noch eine ganze Reihe anderer Faktoren, die sie davor zurückschrecken ließen, vorzeitig nach England zurückzukehren. Es würde bedeuten aufzugeben. Wenn sie es jetzt nicht schaffte, sich aus alten Gewohnheiten zu lösen, würde sie es niemals schaffen. Und Annie wollte nicht auf diese Weise weitermachen. Sie musste endlich beginnen, ihr eigenes Leben zu führen.
Ein Leben, das sich zur Abwechslung einmal um ihre eigenen Bedürfnisse drehte.
“Und was soll ich jetzt deiner Ansicht nach tun?”
“Genau das, was du
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