Gewitterstille - Kriminalroman
vor zwei Jahren hatte er plötzlich eine bis dahin nicht gekannte Eitelkeit entwickelt und wieder begonnen, Tennis zu spielen. Petra schloss die Augen und versuchte vergebens, auch dieses Kapitel aus ihren Gedanken zu vertreiben …
Seit Petra die Einladung zu ihrem dreißigjährigen Klassentreffen erhalten hatte, war es ihr kaum möglich gewesen, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Bereits ein paar Tage vor dem Treffen hatten sie von Berlin nach Hamburg fahren wollen, um dort einzukaufen und es sich gut gehen zu lassen. Für den Tag des Treffens hatte sie eine Pediküre im Hotel Vier Jahreszeiten an der Alster und einen Friseurtermin im renommierten Salon von Marlies Möller geplant gehabt. Gut vorbereitet und wunderschön hatte sie nach Lübeck aufbrechen wollen, wo das Treffen stattfinden sollte, und nun war alles dahin. Petra saß an ihrem Schminktisch und blickte auf die Uhr. Es war halb fünf, und die Stunden schlichen dahin. Ihre Hände zitterten, während sie erneut versuchte, den schwarzen Kajalstrich zu korrigieren, der immer wieder unter ihren Tränen zerrann. Sie zog die Träger ihres La-Perla- BH s etwas fester an, um ihre Brüste besser zur Geltung zu bringen.
»Welche Schmerzen habe ich auf mich genommen, um so auszusehen«, schrie sie ihr Spiegelbild an und schmetterte ihren Kajalstift wütend in die Ecke, bevor sie von einem weiteren Weinkrampf geschüttelt wurde. Sie zog die Beine an und legte ihren Kopf auf die Knie.
»Tu mir das nicht an«, schluchzte sie. »Tu mir das bitte nicht an!« Das Klassentreffen hatte ihr Triumphzug werden sollen. Sie hatte allen beweisen wollen, wer sie heute war, dass sie schöner war als alle anderen. Dass sie diejenige gewesen war, die Christoph geheiratet hatte, diejenige, die es sich hätte leisten können, Gucci, Prada und La Perla bei der Gartenarbeit zu tragen, wenn die Arbeit nicht ohnehin durch einen Gärtner erledigt würde. Und jetzt schien er entschlossen, mit einer Kellnerin durchzubrennen.
»Eine einfache Kellnerin!«, zischte sie verächtlich, während sie sich wieder aufrichtete und ihrem Spiegelbild zuwandte. Sie hatte in den vergangenen Wochen und Monaten Veränderungen an ihm bemerkt und sich dabei der naiven Vorstellung hingegeben, er gebe sich ihretwegen Mühe. Er war auf einmal aufmerksamer und fröhlicher gewesen als sonst, was angesichts der Gründe paradox schien. Petra griff nach ihrem Glas und trank einen weiteren tiefen Schluck Wodka. Es dauerte eine Weile, bis die wohltuende Wirkung des Alkohols sie ein wenig ruhiger werden ließ. Er hatte ihr versprochen, gegen halb sieben zu Hause zu sein, um die Einzelheiten ihrer Trennung mit ihr zu besprechen. Petra stand auf und lief zu ihrem Ganzkörperspiegel hinüber. Sie stellte sich davor und betrachtete ihre Rundungen Zentimeter für Zentimeter. Ihre strammen Silikonbrüste waren weder zu klein noch zu groß. Ihr Po war tadellos gestrafft, und selbst bei kritischer Betrachtung konnte ihr Körper mit dem einer jeden gut aussehenden Mittdreißigerin konkurrieren.
»Aber das willst du ja gar nicht, Christoph«, flüsterte Petra.
»Sie ist ja nicht einmal jünger als ich.« Die Erinnerung an diese Tatsache trieb ihr erneut die Tränen in die Augen. Ein Leben lang hatte sie sich davor gefürchtet, ihr Mann könnte irgendwann seinen zweiten Frühling mit einer jungen Frau erleben wollen. Nicht genug, dass er sie jetzt tatsächlich mit dem Geständnis einer neuen Liebe gedemütigt hatte, noch schlimmer war, dass diese Frau zwei Jahre älter war als sie.
Sie ist doch nicht einmal schön!, dachte sie voller Bitterkeit, während sie nach ihrem cremefarbenen Seidennachthemd griff, das sie am Schlafzimmerschrank aufgehängt hatte. Sie streifte es über und nahm dann vorsichtig das Brillantcollier aus der Schatulle, die sie am späten Vormittag aus dem Safe im Billardzimmer genommen hatte. Sie legte den Schmuck an und strich zärtlich über die funkelnden Steine, die ihr tiefes Dekolleté betonten.
Unvergänglich, wie unsere Liebe, erinnerte sie sich an seine Worte, als er ihr das Collier und die Ohrringe zur Hochzeit geschenkt hatte.
Petra nahm sich Zeit, um ihr weißes Bett mit roten Rosenblättern zu verzieren. Dann legte sie eine dezente Note ihres Lieblingsduftes auf. Sie betätigte den kleinen Zerstäuber des antiken Flakons nur ein einziges Mal. Endlich war die Zeit gekommen, und sie hörte das vertraute Motorengeräusch seines Aston Martin, der die Auffahrt hinaufrollte. Petra warf
Weitere Kostenlose Bücher