Gezeiten der Liebe
»Toll. Das wäre toll.«
»Jetzt kann ich leider nicht bleiben. Die anderen warten drüben in der Bootswerkstatt auf mich.«
»Das macht nichts.« Ob ihre Augen wohl so weit aufgerissen waren, wie es sich anfühlte? Sie hätte ihn mit den Blicken verschlingen mögen. »Danke für die Blumen. Sie sind sehr hübsch.«
»Bitte sehr.« Mit offenen Augen beugte er sich zu ihr und drückte sanft die Lippen auf ihren Mund. Er sah, wie ihre Lider zuckten, sah, wie das Grün ihrer Iris sich rings um die winzigen Goldpünktchen verschleierte. »Dann bis morgen abend.«
Sie schmolz dahin wie Wachs. »Morgen«, stieß sie hervor und seufzte tief, als er hinausging und verschwand.
Er hatte ihr Blumen mitgebracht. Mit beiden Händen umfaßte sie die Stiele, hielt die Blumen von sich und tanzte mit ihnen durchs ganze Haus. Wunderschöne, duftende Blumen. Und als ein paar von den Blättern auf den Boden segelten, als sie tanzte, war es nur um so romantischer.
Sie gaben ihr das Gefühl, eine Prinzessin zu sein, eine Frau im wahrsten Sinn des Wortes. Genüßlich schnupperte sie an ihnen, als sie in die Küche tänzelte, um eine Vase zu holen. Sie fühlte sich wie eine junge Braut.
Jäh blieb sie stehen und starrte den Strauß an. Eine Braut.
Ihr wurde schwindelig, ihre Haut glühte, ihre Hände begannen zu zittern. Als sie merkte, daß sie den Atem anhielt, stieß sie die Luft zischend aus, doch dann konnte sie überhaupt nicht mehr amten, weil sie völlig außer sich war.
Er hatte ihr Blumen mitgebracht, dachte sie wieder. Er hatte sie zum Essen eingeladen. Zögernd legte sie die Hand auf ihr Herz und spürte, wie leicht und schnell es plötzlich schlug.
Er würde sie fragen, ob sie seine Frau werden wollte. Seine Frau.
»O Gott. Oh.« Ihre Beine verweigerten ihr den Dienst, deshalb setzte sie sich mitten auf den Fußboden in der Küche, die Blumen in ihren Armen wiegend wie ein Kind. Blumen, zärtliche Küsse, eine romantisches Abendessen zu zweit. Er warb um sie.
Nein, nein. Sie zog voreilige Schlüsse. So schnell würde er niemals den nächsten Schritt tun. Sie schüttelte den Kopf, rappelte sich auf und fand eine alte Flasche mit weitem Hals, die sie zur Vase umfunktionierte. Er wollte nur lieb sein. Er wollte rücksichtsvoll sein. Er war eben einfach Ethan.
Sie drehte den Hahn auf, um die Flasche mit Wasser zu füllen. Er war einfach er selbst, dachte sie wieder und merkte, daß sie zum zweitenmal keine Luft bekam.
Es war Ethans Charakter, gründlich nachzudenken und nach einer ganze bestimmten Methode vorzugehen. Während sie um Ruhe und logisches Denken kämpfte, arrangierte sie eine Blume nach der anderen.
Sie kannten einander seit ... sie konnte sich kaum noch
an eine Zeit erinnern, in der sie ihn nicht gekannt hatte. Jetzt waren sie ein Liebespaar. Sie liebten sich. Ethan würde seinem Charakter entsprechend Heirat als den nächsten logischen Schritt betrachten. Den ehrenhaften, üblichen Schritt. Er würde das Richtige tun. Er würde es für das Richtige halten.
Das wußte sie wohl, aber sie hatte damit gerechnet, daß noch Monate ins Land gehen würden, bevor er sich zu diesem Schritt entschloß. Und doch warum sollte er warten, fragte sie sich, wo sie beide doch bereits so viele Jahre gewartet hatten?
Aber... sie hatte sich gelobt, nie wieder zu heiraten. Dieses Gelübde hatte sie abgelegt, als sie ihre Unterschrift unter die Scheidungspapiere setzte. Sie durfte nie wieder so kläglich versagen oder Aubrey dem Elend und dem Trauma einer gescheiterten Ehe aussetzen. Sie hatte die Entscheidung gefällt, Aubrey allein großzuziehen, mit viel Liebe und Verständnis; war Willens gewesen, selbst für ihre Tochter zu sorgen, ihr ein Heim zu schaffen, in dem ihre Kleine Glück und Sicherheit fand.
Aber damals hatte sie auch noch nicht damit gerechnet, daß Ethan sie einmal haben wollte, daß er sie jemals so lieben würde, wie sie ihn liebte. Denn es war immer nur um Ethan gegangen. Immer nur Ethan, dachte sie und schloß die Augen. In ihrem Herzen, in ihren Träumen. Durfte sie es wagen, ihr Gelübde zu brechen, einen Schwur, den sie so feierlich abgelegt hatte? Konnte sie das Risiko eingehen, wieder eine Ehefrau zu sein und all ihre Hoffnungen und ihr Herz an einen Mann zu hängen?
O ja. Ja, sie konnte jedes Risiko eingehen, wenn der Mann Ethan war. Dann war alles perfekt, vollkommen, dachte sie und lachte in sich hinein; vor Freude wurde ihr leicht ums Herz. Es war das Happy-End, nach dem zu sehnen sie
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