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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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Gesamtschule», klärt Aynur sie auf. «Da sind alle Kinder zusammen, also von Hauptschule oder Realschule oder Gymnasium. Alle in eine Klasse. Aber in manche Fächer ist man in schwererem oder leichterem Kurs. Zum Beispiel in Englisch und Mathe. Die Gymmi-Kinder sind in schwererem Kurs. Bei uns sind aber fast alle in leichtem Kurs.»
    «Das besprechen wir noch, Necla», sage ich. «Jetzt hast du erst mal Deutsch bei mir.»
    «Wir haben fast alles bei sie», bemerkt Aynur.
    Necla zuckt ein bisschen zusammen, ich hoffe, nur wegen des Grammatikfehlers.
    «Bei ihr», verbessere ich automatisch.
    Nesrin rollt mit den Augen und schubst Necla mit dem Ellenbogen in die Seite. «Deutsch, Bio, Kunst, Ethik und Wahlpflicht Theater haben wir bei … ihr.»
    «Und wir haben noch ein Klassenlehrer! Herr Wolf! Der gibt Mathe, Chemie und Physik.»
    «Zwei Klassenlehrer?» Necla schaut mich fragend an.
    «Genau!», sage ich. «Und an unserer Schule unterrichten auch ganz oft zwei Lehrer zusammen.»
    «Du bist türkisch, wa?», fragt Nesrin neugierig.
    «Janein. Ich habe einen deutschen Pass», erklärt Necla. «Aber meine Familie kommt ursprünglich aus der Türkei. Mann, ist das hoch hier!» Sie schnauft.
    «Ja, wa! Wir haben kein Aufzug.» Aynur guckt mich strafend an.
    «Dafür kann ich nichts», beteuere ich, zücke meinen Schlüssel und schließe den Klassenraum auf.
    «Bei uns sind nur Türken und Araber in der Klasse, außer Hanna und Jenny», berichtet Aynur. «Aber die meisten haben auch deutschen Pass.»
    «In Bonn, wo ich bisher gelebt habe, gibt es auch viele Türken», erzählt Necla. «Aber nicht so viele wie hier in diesem Bezirk.»
    Bestimmt hat sie ein bisschen Heimweh, denke ich.
    «Hm», sagt Nesrin, die garantiert keinen Schimmer hat, wo Bonn liegt. «Du kannst dich hier hinsetzen!» Sie bietet großzügig den freien Platz neben Fuat an.
    «Niemals», protestiert Aynur. «Spinnst du, Hässlichkeit? Wer will neben dem sitzen?»
    «Necla sitzt neben Leila.» Ich entscheide. «Da am Fenster! Und dann schreibst du dir am besten gleich den Stundenplan ab.»
    «Bis 16 Uhr heute. Neunte Stunde!», sagt Aynur mit Grabesstimme.
    «Vallah! Fast jeden Tag neunte Stunde! Voll todesschrecklich!», echot Nesrin.
    «Jetzt jagt ihr mal keine Angst ein», sage ich. Und zu Necla: «Du weißt doch, dass die Julie-Manet-Schule eine Ganztagsschule ist, oder?»
    Necla nickt.
    Laut und drängelnd betritt allmählich der Rest unserer Belegschaft die Klasse: Emre, Gamze, Ali, Jenny, Azzize, Merve, Hassan, Leila, Ömür, Gülten, Hanna, Mariam und Erkan. Einige stürzen sich gleich auf Necla und überschütten sie mit Fragen. Necla lacht und scheint sich wohl zu fühlen.
    Mustafa und Sam sind weiterhin krank, registriere ich. Turgut, Mohamed, Abdul, Rahim und Fuat kommen zu spät … wie fast immer.
    Es klingelt.
    «So, Kinder, dann lasst uns mal anfangen», sage ich und klappe die Tafel auf.

Seiteneinsteiger
    Seiteneinsteiger – gibt es noch welche? An meiner jetzigen Schule habe ich keinen. In meinen ersten zwanzig Schuljahren war das anders. Fast in jeder Klasse der Gesamtschule-Süd gab es welche. Sie erschienen aus heiterem Himmel, oft mitten im Schuljahr. Sie waren der «Nachzug» aus der Türkei, kamen aus Gründen der «Familienzusammenführung». Es waren Kinderschicksale, von denen wir wenig wussten.
    «Frl. Krise, hier ist Mohamed, der soll in Ihre Klasse. Er spricht leider kaum Deutsch.» Der Stufenleiter schob einen verschüchterten Jungen in meine Richtung.
    «Hallo Mohamed», sagte ich. Der Junge senkte den Kopf und schwieg. Na toll.
    Ich seufzte. «Ist er wenigstens alphabetisiert?», fragte ich.
    «Ja, ja, ich glaube schon», sagte der Stufenleiter beruhigend und ließ uns stehen.
    Oder: «Da ist Nimet. Sie war ein halbes Jahr in der Auffangklasse einer anderen Schule zum Deutschlernen.» Wenigstens etwas! Das bedeutete, man würde sich über das Allernötigste verständigen können.
    Diese Kinder ließen uns Lehrer nicht in Begeisterungsschreie ausbrechen. Ich sage es ehrlich: Wir schleppten sie oft nur so mit. Die Klassen waren riesig, man unterrichtete allein – und kümmerte sich nebenbei, so gut es ging, um die Seiteneinsteiger. Aber es ging eben nicht besonders gut.
    Manchmal gab es zwei, drei Extrastunden Deutsch für sie, während des normalen Unterrichts, versteht sich. Da fiel dann eben für sie Mathe oder Sport aus. Man vertraute darauf, dass sie sich irgendwie reinfummeln würden in den Schulbetrieb,

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