Ghostbound (German Edition)
keine exakte Wissenschaft. Es gibt unendlich viele Komponenten, und alle haben einen unterschiedlichen Einfluss auf das Endergebnis. Werden sie kombiniert, kommt immer etwas Neues dabei heraus, abhängig davon, wie man sie mischt und wer es tut.“ Sie lächelte kurz. „So ähnlich wie beim Kochen, da kommt es auch nicht nur auf die richtigen Zutaten an, sondern ebenso auf das Rezept und den Koch.“
Elizabeth runzelte die Stirn „Tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht folgen.“
„Und ich noch viel weniger“, sagte Daniel kopfschüttelnd und setzte sich wieder neben Elizabeth auf die Armlehne.
„Ich will damit sagen“, erklärte Nan, „dass ich nicht glaube, dass das Amulett alleine dafür verantwortlich ist. Ich denke vielmehr, seine Macht hat eine maßgebliche Rolle dabei gespielt, aber es waren auch noch andere Komponenten mit im Spiel. Deren Zusammenwirken hat schließlich dazu geführt, dass Sie Kontakt aufnehmen konnten.“
„Und was für andere Komponenten könnten das gewesen sein?“ Elizabeth versuchte sich den vorletzten Abend möglichst genau ins Gedächtnis zu rufen.
„Oh, das kann so vieles sein. Bestimmte Gegenstände, Symbole, Menschen, Tiere, Handlungen. Etwas, das Sie beide gesagt oder auch nur gedacht haben. Der Zeitpunkt kann auch entscheidend gewesen sein … Es gibt unendlich viele Möglichkeiten.“
„Ich hielt das Amulett in der Hand und habe sehr intensiv an Daniel gedacht, bevor er sichtbar wurde“, überlegte Elizabeth laut. „Ich hatte mir aus tiefstem Herzen gewünscht, dass wir Gelegenheit gehabt hätten, uns besser kennenzulernen.“
„Genau wie ich“, meinte Daniel. „Ich habe praktisch an nichts anderes gedacht. Mein Song lief in Endlosschleife, und dein Kater, der mich eindeutig vorher schon sah, lag bei dir.“
„Richtig, Beckett lag an mein Bein gekuschelt“, stimmt Elizabeth zu. Sie sah die alte Dame an. „Katzen könnten so eine magische Komponente sein, nicht wahr? In der Mythologie werden sie oft als Verbindung mit dem Reich der Toten dargestellt.“
„Oh ja“, bestätigte Nan. „Katzen sind mächtige magische Wesen. Besonders diejenigen, die schon sechs ihrer sieben Leben hinter sich haben.“ Schalk blitzte in Nans Augen, sodass Elizabeth nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob die alte Dame den letzten Satz ernst gemeint hatte oder nicht.
„Etwa bei Sonnenuntergang hatte ich damit begonnen, Dannys Song immer wieder zu hören und mich auf ihn zu konzentrieren. Und heißt es nicht, dass bei Sonnenauf- und -untergang die Barriere zwischen den Welten am schwächsten ist? Außerdem habe ich direkt davor sein Blut aus meinem Kleid gewaschen. Eventuell hatte ich noch ein Wenig davon an meinen Händen, als ich das Amulett hielt. Blut ist bei Ritualen doch ebenfalls eine mächtige Komponente, oder nicht?“ Es sprudelte geradezu aus Elizabeth heraus. Als hätte sie ein vergessenes Kämmerchen in ihrem Kopf geöffnet, das bis in die letzte Ecke vollgestopft war mit ungenutztem und eingestaubtem Wissen über Paranormales, angesammelt während ihres Literaturstudiums, in dem sie als Nebeneffekt einiges über Mystik und Legenden gelernt hatte.
Nan nickte zustimmend. „Ich würde sagen, damit haben Sie Ihre Antwort.“ Nachdenklich betrachtete Nan das Amulett auf Elizabeths Brust. „Das Sonnensymbol hatte für meine Leute schon immer eine ganz besondere Bedeutung“, sinnierte sie. „Bei Sonnenuntergang ließen wir uns nieder und bei Sonnenaufgang brachen wir wieder auf. Die Sonne schenkt Leben und Kraft, aber sie kann auch den Tod bringen. Sie ist ewig und das Zentrum von allem. Und für den kurzen Zeitraum, der zwischen Tag und Nacht liegt, berühren sich die Welten …“
Das Geräusch eines Schlüssels, der im Türschloss gedreht wurde, ließ alle Blicke zur Eingangstür wandern. Ein schlaksiger, etwa sechzehnjähriger Junge mit extrem kurzen, dunklen Haaren polterte herein und rief: „Hi, Nan!“ Als er bemerkte, dass seine Großmutter Gesellschaft hatte, sagte er verlegen: „Oh, hallo. Ich wusste nicht, dass du Besuch hast.“
„Schon gut, Schatz. Das ist … Entschuldigung, wie war noch mal gleich Ihr Name, Kindchen?“ Nan sah fast ebenso verlegen aus, wie ihr Enkel.
„Elizabeth Parker. Du musst Riley sein. Ich habe schon eine Menge von dir gehört.“ Elizabeth lächelte dem Teenager mit dem hageren Gesicht und den tief liegenden, fast schwarzen Augen, freundlich entgegen.
„Sie ist nämlich eine Freundin des jungen Constables, der
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