Ghostbound (German Edition)
Elizabeth, aber die alte Dame kam bereits mit zwei Tassen zurück ins Wohnzimmer.
„Nennen Sie mich Nan, Kindchen. Das machen alle. Setzen Sie sich, setzen Sie sich.“ Sie gestikulierte wild mit den Tassen, und es grenzte an ein Wunder, dass sie keinen Tee verschüttete. Elizabeth setzte sich in einen ausladenden Sessel mit Blumenmuster und versank augenblicklich im durchgesessenen Polster.
„Wissen Sie“, Nan O´Shea reichte Elizabeth eine Tasse, „der Constable war anders als die meisten Menschen. Er ließ sich nicht von den Vorurteilen meinen Leuten gegenüber täuschen. Alle hatten meinen Riley von vornherein für schuldig erklärt. Die haben ihm nicht mal richtig zugehört!“ Nan war noch immer sichtlich entrüstet über die Ungerechtigkeit, die ihrem Enkel widerfahren war. „Aber der Constable hat in Riley den Jungen gesehen, der er wirklich ist, und nicht den Zigeuner .“
„Ja, er hält … hielt nicht viel von Klischees“, lächelte Elizabeth, was Daniel mit einem lapidaren „Genau.“ kommentierte und sich auf der Armlehne ihres Sessels niederließ.
Während sie in ihren Tee pustete, überlegte Elizabeth, wie sie das Thema, wegen dem sie eigentlich hier waren, am besten anschneiden sollte. Doch Nan ersparte ihr die Mühe.
„Hat er Ihnen das Amulett geschenkt?“, fragte sie ohne Umschweife.
„Vererbt trifft es wohl eher“, erklärte Elizabeth etwas verlegen. „Er hatte erwähnt, dass er es –von Ihnen bekommen hat, und ich dachte, Sie könnten mir vielleicht etwas darüber erzählen. Es sieht sehr alt aus.“
„Oh ja, das ist es auch. Das ist es tatsächlich“, nickte Nan energisch. „Es war seit Generationen in meiner Familie“,
„Danny sagte, es wäre ein Glücksbringer?“
„Naja, Glücksbringer …“ Nan sah Elizabeth abwägend an. „Mit diesem Begriff können die ungläubigen jungen Leute heutzutage vermutlich am meisten anfangen.“
„Wie würden Sie ihn denn bezeichnen?“
„Glauben Sie an Magie, Kindchen?“ Nans wacher Blick ließ Elizabeth keine Sekunde lang los.
„Ähm, ja. Ich denke schon.“
„Ich wette, wenn man dir vor einer Woche die gleiche Frage gestellt hätte, wäre die Antwort anders ausgefallen“, bemerkte Daniel neben ihr.
Und dir wäre es mit Sicherheit nicht anders ergangen , erwiderte Elizabeth in Gedanken. Sie hasste es, wenn Daniel sich so platzierte, dass sie ihn nicht ansehen konnte, ohne dass es ihrem Gesprächspartner auffallen musste.
„Für meine Leute“, fuhr Nan währenddessen fort, „ist Magie ein fester Bestandteil des Lebens. Wir sind umgeben davon. Sie ist überall. In Amuletten, Talismanen, Symbolen, Namen, Pflanzen, Tieren.“ Nan machte eine alles umfassende Geste. „Alles hat eine offensichtliche und eine verborgene Bedeutung. Manche Dinge, und auch manche Menschen, sind besonders von Magie durchdrungen. Diese haben dann außergewöhnliche Eigenschaften oder Fähigkeiten, und je älter sie sind, desto mächtiger wird die Magie.“
„Was Sie also sagen“, hakte Elizabeth nach, „ist, dass dieses Amulett von Magie durchdrungen ist, und dass diese Magie aufgrund des Alters des Anhängers sehr mächtig ist?“ Nan nickte mit ernstem Gesicht. „Und die … Eigenschaft des Amuletts ist es, dass es dem Träger Glück bringt?“ Das konnte sich Elizabeth im Angesicht der jüngsten Ereignisse beim besten Willen nicht vorstellen.
„Nein, eigentlich sagt unsere Überlieferung etwas anderes über das Amulett“, antwortete Nan. „Aber das habe ich dem Constable damals so nicht gesagt.“ Verschmitzt lächelte die alte Dame Elizabeth an und nippte an ihrem Tee.
„Tatsächlich. Jetzt bin ich aber mal gespannt“, sagte Daniel.
Nan schien nicht die Absicht zu haben, die überlieferte Eigenschaft des Amulettes weiter auszuführen, also musste Elizabeth erneut nachfragen: „Und was sagt die Überlieferung?“
Nans Blick war voller Mitgefühl. „Es heißt, es führt verwandte Seelen zueinander.“
Elizabeth erstarrte. Verwandte Seelen? Machte sich die alte Frau etwa über sie lustig? Als ihr klar wurde, dass Nan es absolut ernst meinte, bildete sich ein faustgroßer Kloß in ihrem Hals.
Nan beugte sich zu ihr und legte eine faltige Hand auf Elizabeths Knie. „Liebes, es tut mir so leid. Wie lange kannten Sie sich denn, bevor …“ Die alte Dame ließ den Satz unvollendet.
„Nur einen einzigen Tag“, presste Elizabeth hervor.
„Manchmal hat das Schicksal schon einen grausamen Humor“, seufzte Nan.
„Ha!“,
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