Ghosts 01 - Ghosthunter
versuchte er, sich aus dem Tümpel zu ziehen. Immer wieder ließ er seine Hände auf das Eis schlagen, suchte verzweifelt nach Halt. Da, ein eingefrorener Ast. Etwas Raues im Eis. Endlich. Seine Finger fanden Halt. Das Wasser um ihn war bereits lauwarm, zumindest kam es ihm so vor. Seine Nase blutete noch stärker als vorhin.
Endlich. Es gelang ihm, sich hochzuziehen und das Knie auf den Eisrand zu setzen. Brich nicht ein! Brich nicht ein!, betete er.
Stöhnend zog er sich hoch und rollte sich ab. Er hatte eine Blutspur auf dem Eis hinterlassen. In kunstvollen Zickzacklinien verästelte sich das Blut langsam auf der Oberfläche und vermischte sich mit dem Tauwasser. Nick hatte keinen Sinn für das Schauspiel. Erschöpft blieb er am Ufer liegen. Er versuchte, alle seine Kräfte zu sammeln, um sich aufzurichten, aber ihm sackten die Beine weg.
Und dann sah er wieder das Wesen.
Es erhob sich aus dem Tümpel. Es wuchs aus dem Wasser, ohne nass zu sein. Schneeflocken verdampften, wenn sie das Wesen durchflogen. Seine wehenden Ränder leuchteten und mit Erschrecken stellte er fest, dass das Tümpelwasser kochte. Das Eis schmolz in Sekundenschnelle.
Nick war wie gelähmt. Er sah diesem Geist zu, wie er größer und größer wurde, und er spürte die Hitze, die von dem Wesen ausging. Das Ding war … war lebendig. Es pulsierte, wuchs an und schwoll ab. Ständig änderte es aus dem Nichts seine Form. Waren da noch zwei, drei weitere Geister neben ihm? Oder war es dieselbe Gestalt, die sich aufgespaltet hatte?
Verzweifelt versuchte er, einen Kopf zu erkennen, Augen, einen Mund, irgendetwas, an dem er eine Regung des Unbekannten hätte ablesen können. Das es vertrauter und damit weniger beängstigend gemacht hätte, doch das Wesen besaß nichts Menschliches.
Plötzlich wuchs direkt vor Nick ein weiteres Wesen aus dem Nichts hervor. Eine Art Arm. Wie eine Schlange ohne Haut kam es auf Nick zu. Er wollte zurückweichen, aber er konnte nicht. Von der Kälte geschwächt und steif vor Entsetzen starrte er unbewegt die schimmernde, sich verändernde Form dieses halbdurchsichtigen Arms an, der nun weniger als eine Handbreit vor seinem Gesicht in der Luft stand. Die Hitze ließ seine Haut austrocknen.
Berühre es , sagte ihm eine innere Stimme.
Nick beugte sich vor.
Du bist Wissenschaftler, berühre es. Wieso kannst du es sehen und Leutnant Colonel Lath nicht?
Langsam näherte sich Nick dem Fangarm. Die Hitze war unerträglich schmerzhaft. Als er nur noch einen halben Meter von dem Wesen entfernt war, schnellte etwas aus dem Ding heraus. Fingerdick schoss eine Art Faden hervor und auf sein Gesicht zu. Nick schrie und fiel zurück in den Schnee. Mit einem Mal änderte der Faden die Richtung und stürzte erneut auf ihn zu.
Doch dieser monströs lange Finger traf ihn nicht, sondern senkte sich knapp neben seinem rechten Stiefel in den Boden. Es zischte, als er mühelos wie ein Schweißdraht durch den Schnee fuhr.
Nick wagte nicht, sich zu bewegen. Gelähmt vor Angst, blickte er auf den Tümpel und die große Gestalt, die dort ruhig in der Luft hing und stetig ihre Form änderte.
Nick betete. Er betete, das Wesen würde nichts mehr aus dem Nichts erwachsen lassen. Er betete, dass es ihn nicht wie Lath einhüllen und verbrennen würde.
Er schloss die Augen.
Und mit einem Mal war alles vorbei.
Das Sirren verstummte und die Hitze verpuffte mit einem Schlag.
Das Wesen war fort. Nur der dampfende Tümpel und sein Nasenbluten zeugten noch von seiner Anwesenheit, aber der Wald lag ruhig vor ihm. Leichter Schnee tanzte in der Luft.
Unsicher öffnete er die Augen.
Er sah sich um.
Sein Blick fiel auf die Erde neben ihm.
Als hätte ein Chirurg mit einem Laserskalpell in den Schnee geschnitten, hatte das Wesen merkwürdige Zeichen hinterlassen. Er atmete ein paar Mal tief durch. Trotz seines pochenden Herzens fasste er Mut. Einer Eingebung folgend, streckte er seine Hand nach dem Schnee aus und berührte eines der Symbole.
Nichts geschah.
Es war lediglich Schnee. Nick griff nach seiner durchweichten Umhängetasche und ließ den Geigerzähler über die Zeichnungen streifen. Fünf Klicks. Der Schnee war leicht radioaktiv verstrahlt.
Mit zittrigen Händen begann er, die mysteriösen Zeichen abzumalen. Es gelang ihm erst nach zwei Anläufen, sie in sein klitschnasses Notizbuch zu übertragen. Zu sehr zitterte der Stift in seiner Hand. Frierend wischte er sich den Schnee aus den Haaren und steckte sein Notizbuch zurück in die
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