Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
mal wieder kurz weg. In den wirren Schlafphasen träumte ich von Kate, wie sie lächelte und lachte und dann nach Luft rang. War es die alte Kate, die ihren Körper nach einem aufregenden Tauchgang wieder mit Sauerstoff füllte, oder holte sie Luft, nachdem sie mich leidenschaftlich geküsst hatte, wie das oft geschah? Oder war es ein Ringen, um ihre kaputten Lungen wieder zu füllen?
Als das Telefon neben meinem Bett läutete, war es stockdunkel im Raum. Ich schaute auf die Leuchtzeiger des Weckers. Es war kurz vor vier Uhr am Morgen des 20. Januar, und noch bevor die Krankenschwester etwas sagte, wusste ich, dass mich keine guten Nachrichten erwarteten.
»Kates Zustand hat sich sehr verschlechtert.«
Ich musste Kate sehen, bevor sie starb. Und ich durfte keine Zeit verlieren. Während ich die Treppe hinunterrannte, immer zwei Stufen auf einmal, streifte ich mir meine Klamotten über, taumelte aus dem Haus und klopfte nebenan an die Haustür. Unsere freundliche Nachbarin Jane war einmalig. »Kate liegt im Sterben«, sagte ich und ließ sie mit dieser Erklärung und der Bitte, bei den Jungs zu bleiben und sie am Morgen in die Schule zu bringen, allein.
Die Fahrt zum Krankenhaus von Weston-super-Mare dauerte normalerweise vierzig Minuten. Viel zu lang, viel zu weit. Der Gedanke, Kate nicht mehr lebend anzutreffen, war unerträglich. Ich drückte das Gaspedal durch und jagte über die Straßen. Fünfzehn verzweifelte Minuten später bremste ich vor dem Krankenhaus, ließ den Wagen, der vier Parkplätze blockierte, stehen und rannte zur nächstgelegenen Tür. Es war der Notausgang, aber ich riss die Tür auf und stürmte den Flur hinunter, der zu Kates Station führte. Zwei Sicherheitsleute schrien »He!« und setzten zur Verfolgung an, aber ich schaute nicht zurück.
Kate war in einem Einzelzimmer untergebracht, und eine Krankenschwester hielt mir die Tür auf, als sie mich den Flur entlangpoltern hörte. Es kam tatsächlich auf jede Sekunde an. Gott sei Dank kam ich nicht zu spät. Kates Krankenbett war von fünf Krankenschwestern umlagert. Mir fiel auf, dass sie an keine Infusionen und Schläuche mehr angeschlossen war. Dafür war es inzwischen zu spät.
»Wir haben ihr zur Erleichterung Morphium gegeben«, erklärte eine der Krankenschwestern. Kates Augen sahen mich an, als ich mich an ihren kleinen Körper kuschelte. Ihre Eltern waren unterwegs, und ich wünschte mir verzweifelt, Kate möge durchhalten, bis sie eintrafen, um sich von ihr zu verabschieden. Ihr Atem ging jetzt sehr flach, und die Pflegekräfte entschieden flüsternd, ihr mehr Morphium zu spritzen. Christine und Martin trafen ein, als man Kate gerade die letzte große Dosis verabreichte.
»Sorry«, sagte Kate zu mir, und ich griff nach ihrer Hand.
»Nun sei bloß nicht albern! Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen«, sagte ich. Ich knuddelte sie und hielt ihre linke Hand, die Hand, an die ich ihr den Verlobungsring und dann in späteren Jahren den passenden Ehering und schließlich den Eternity-Ring gesteckt hatte.
Ihre Eltern saßen nebeneinander und hielten Kates rechte Hand. Wir redeten und beruhigten uns gegenseitig, selbst als Kate zu atmen aufhörte. Aufgrund meiner Sanitäterausbildung wusste ich, dass das Gehirn auch nach dem Atemstillstand noch ein paar Minuten lang aktiv ist. Eine Krankenschwester hatte mich freundlich daran erinnert, und ich sprach weiterhin mit Kate. »Du warst die wundervollste Frau und Mutter«, sagte ich ihr. »Ich werde alles tun, um deine Wünsche zu erfüllen. Ich werde den Jungs sagen, wie sehr du sie geliebt hast und was für eine wunderbare Mama du warst.«
»Wir sind fertig!«, schrie Reef. Coral fing laut an zu bellen und scheuchte damit die Vögel im Hinterhof auf, und Finn kam in die Küche gestürmt und fragte: »Gehen wir heute Abend schwimmen, Daddy?« Ich war wieder zurück im Hier und Jetzt, aber es war ein surreales Gefühl – als wäre ich nicht ganz da. Kate war erst vor einem Tag gestorben, aber wir machten uns hier fertig für die Schule und weiter mit unserem Leben. Irgendwie fühlte es sich falsch an, trotzdem wusste ich, dass es genau das Richtige war. Ohne den Schatten eines Zweifels war ich überzeugt, dass Kate es genau so gewollt hätte, also zogen wir unsere Schuhe und Mäntel an, und ich fuhr die Jungs zur Schule.
KAPITEL 2
»Benutz die Formulierung ›Bis ans Ende der Welt‹«
»Kannst du uns eine Geschichte vorlesen?«, fragte Reef auf dem Weg zu seinem Bett.
Finn
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