Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gib mir Menschen

Gib mir Menschen

Titel: Gib mir Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
Vom Netzwerk:
sie bei mir war. Die Bilder, die ich während ihrer Abwesenheit malte, die haßte ich. Manche Kritiker behaupten jedoch, daß gerade diese zu meinen Besten gehören. Ich hasse diese Bilder noch immer, und deshalb verlange ich unverschämte Preise dafür. Oder ich gebe sie als Fälschungen aus und lasse sie vernichten.
    Anima hatte zuletzt selbst nicht mehr gemalt und sich nur noch meiner Ausbildung gewidmet. Sie arbeitete mit einer Verbissenheit und einer Ausdauer an mir, die man diesem zarten Wesen nie zugetraut hätte. Ich hatte mich immer gewundert, woher sie diese Energie nahm. Aber wenn es ihr Bestreben gewesen war, aus mir einen der bedeutendsten Maler der Gegenwart zu machen, dann hatte sie ihr Ziel erreicht.
    Mit fünfundzwanzig war ich der jüngste lebende Künstler, dessen Werke im Louvre hingen. Und wenn meine Bilder heute in allen Museen vertreten sind, auf die es ankommt, dann weiß ich, daß ich das Anima zu verdanken habe. Sie hat mich gemacht.
    Doch konnte ich es ihr nicht danken. Ich machte alle meine Einflüsse geltend und jede Menge Geld locker, aber aus der Irrenanstalt bekam ich sie trotzdem nicht frei. Ich hatte juristisch kein Recht auf sie. Ich war vor dem Gesetz niemand zu ihr, ein Fremder. Es war mir nicht einmal möglich, sie zu heiraten und so die Vormundschaft über sie zu bekommen. Anima blieb isoliert, bis mich eines Tages die Nachricht erreichte, daß sie aus der Anstalt entflohen und spurlos verschwunden sei. Das blieb sie auch.
    Sie war die zweite Frau, die entscheidend in mein Leben eingegriffen hatte und sie blieb meine einzige Liebe. Auf Umwegen kam ich an eine Skizze heran, die sie in der Anstalt gemacht hatte. Ich bewahre sie als einziges Andenken an Anima.
    Darauf ist ein alter Mann und ein kleines, vielleicht siebenjähriges Mädchen zu sehen. Der Greis hat unverkennbar meine Züge, das kleine Mädchen stellt wohl sie selbst dar, aber ich glaube, auch eine Ähnlichkeit mit Mora zu erkennen. Darunter steht mit schizoider Klaue:
    Liebling, in alten Tagen wirst du mir einst viel bedeutet haben. Danke und viel Glück, alter Mann.
    Als ich dies zum erstenmal las, krampfte es mir das Herz zusammen. Offenbar war dies das Dokument der völligen Restitution von Animas Zeitgefühl.
     
    Sie kennen ihn bestimmt, den exzentrischsten Maler auf der Szene, der seine Bilder mal mit Alby, dann mit Toby oder Terry und ein andermal wieder mit Gurr signiert und der hinterher Stein und Bein schwört, daß es sich nicht um seine Werke, sondern um Fälschungen handelt. Es sind tatsächlich einige Fälschungen darunter. Wenn er ihnen bei einer Ausstellung begegnet, zerstört er sie kommentarlos. Er hat immer eine kleine Spraydose bei sich, und jeder Museumsdirektor hat Herzklopfen, wenn der Altmeister bei einer Vernissage seine Bilder inspiziert. Es geht so schnell, daß keiner ihn daran hindern kann, wenn er plötzlich den Spray zückt und mit dem Strahl eines der Bilder durchkreuzt. Aber, man staune, die derart scheinbar wertlos gemachten Bilder sind auf einmal begehrter als die Originale, weil sie nun die »Handschrift« des Meisters tragen.
    Der Alte ist berühmt, aber verbittert und unzugänglich. Er hat bis zu seinem achtzigsten Lebensjahr in einem uralten Haus gewohnt. Und er hat es bis zuletzt gegen die Räumkommandos verteidigt und der Verwaltungsbehörde einen heroischen Kampf geliefert, die hier den Grundstein für eine Satellitenstadt legen wollte. Aber all sein Einfluß hat nichts geholfen, ebensowenig wie die beigebrachten Expertisen, die ihm bescheinigten, daß das Fachwerkhaus denkmalwürdig sei. Man erinnert sich noch daran, daß der Alte eine spektakuläre Pilgerfahrt nach Rom unternommen hat und beim Papst vorsprach. Die Welt dankte für das Spektakel, aber die Welt hatte andere Sorgen, als mit ihm um ein baufälliges Haus zu kämpfen, das höchstens Erinnerungswert für ihn besaß.
    Man hielt auch das für einen Werbegag, ähnlich den Auftritten mit der Spraydose und seinen obskuren Forschungsarbeiten über Seelenwanderung. Das alles brachte ihn in aller Munde, machte ihn noch bekannter als seine umstrittenen Arbeiten, und es trieb auch die Preise seiner Bilder in schwindelnde Höhen. Und im selben Maß, wie die Preise mit seinem Bekanntheitsgrad stiegen, wurde er auch verbitterter.
    Dieser Alte bin ich.
    Ich habe mich von der Welt zurückgezogen und lebe völlig isoliert. Ich wollte mich noch mehr isolieren und habe mich um einen Atelierplatz in einer der Weltraumstationen, die

Weitere Kostenlose Bücher