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Gib mir Menschen

Gib mir Menschen

Titel: Gib mir Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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Menetekel.«
    Ich konnte ihr einfach nicht klarmachen, daß ich Albert hieß. Sie hatte es mit Namen, und ich glaube, außer Toby und Andy bedachte sie mich noch mit einem ganzen Dutzend anderer. Sie war eine Träumerin, und ich hatte Angst sie aufzuwecken. Ich beobachtete sie, wie sie nackt und barfuß durchs Haus schwebte, und da kam sie mir erst recht wie eine Nachtwandlerin vor. Ich eilte ihr nach und zog sie an mich.
    »Erzähle mir etwas über dich, Anima. Ich möchte mehr, ich möchte alles über dich erfahren.«
    »Da gibt es nichts zu erzählen.«
    Als sich unsere Blicke diesmal begegneten, bekam ich eine Gänsehaut. Und ich hörte im Geist auf einmal wieder die Stimme einer alten, sterbenden Frau, die beim Abschied zu mir sagte: »Sieh mir tief in die Augen, Alby, damit du mich später einmal wiedererkennst.«
    Und ich glaubte, sie in Animas Augen wiederzuerkennen. Dieses Gefühl war so stark, daß es mich förmlich lähmte, und ich war unfähig, Anima zu lieben. Als ich die Fassung wiederfand und mich bewegen konnte, da lief ich vor ihr davon und versteckte mich. Allein schon ihre Nähe, der Gedanke an sie wühlte mich auf. Ich hatte Angst, den Verstand zu verlieren, glaubte, Halluzinationen zu haben und an Verfolgungswahn zu leiden, und ich verfluchte Mora als Hexe, die mich mit ihrem orakelhaften Geschwätz vergiftet hatte. Es dauerte lange, bis ich mich beruhigt hatte und soweit gefestigt war, damit ich Anima wieder unter die Augen treten konnte. Aber da war sie bereits weg. Sie hinterließ keine Nachricht, kam in den nächsten Tagen nicht auf die Akademie und rief auch nicht an.
    Zwei Wochen bekam ich von ihr kein Lebenszeichen. Es war die Hölle. Ich konnte nicht arbeiten, konnte keinen Strich machen. Ich quälte mich mit Selbstvorwürfen, zerfleischte mich förmlich, gebar die verrücktesten Gedanken. Und ich tendierte immer mehr zu der Meinung, daß Mora durch Seelenwanderung in Animas Körper eine Wiedergeburt erlangt habe. Doch je länger ich das Mädchen nicht sah, desto größeren Abstand gewann ich, bis es mir als völlig absurd schien, daß sie irgend etwas mit Mora zu tun haben könnte.
    Nur als sie nach vierzehn Tagen durch die Tür des Zeichensaals trat, da war mir sofort wieder, als stehe Mora vor mir, eine jüngere Mora. Und ich begann mich schon wieder mit Fragen zu quälen, und ich fragte mich, ob sie damals bei ihrem Abgang nicht vielleicht gemeint haben könnte, daß sie mir eines Tages in ihrer Tochter gegenübertreten würde.
    Anima lächelte mir zu, für sie schien es die zwei Wochen Trennung überhaupt nicht gegeben zu haben.
    »Tut mir leid«, sagte sie bloß, während sie den Platz vor mir einnahm, ihre Malutensilien herauskramte und sich anschickte, den Body-Builder zu skizzieren, der sich lässig auf dem Podium räkelte. Und dann fügte sie noch hinzu: »Aber es war dringend.«
    Ich fragte sie nicht nach dem Grund ihres Verschwindens, ich war einfach froh, daß sie wieder da war und mit mir ganz selbstverständlich in das alte Haus ging. Diesmal nicht für einige Liebesnächte, sondern für länger. Wir lebten einige Jahre zusammen. Mit Unterbrechungen. Darunter ist nicht zu verstehen, daß wir uns etwa zeitweilig getrennt hätten. Es war nur so, daß Anima oft tage- und nächtelang wegblieb, und keine Macht der Welt konnte sie halten, wenn der Wandertrieb sie überkam.
    Bei ihrer Rückkehr gab es stets Szenen. Oft schlug ich sie, dann wieder tat sie mir so leid, daß ich nicht wußte, durch welche Zärtlichkeiten ich meine Unbeherrschtheit wieder vergessen machen sollte. Und wenn sie dann in meinen Armen lag und mir wieder andere Namen gab, dann hätte ich sie am liebsten umbringen wollen.
    Ich schimpfte sie eine Hure und bedachte sie mit tausend anderen ähnlichen Schimpfworten. In meinen Alpträumen sah ich sie in den Armen anderer Männer. Es machte mich rasend! Ich war toll vor Eifersucht! Wenn sie dann wie ein herrenloses Tier zu mir zurückkam, manchmal verschmutzt und abgerissen, dann wieder aufgeputzt wie ein Showgirl, dann entluden sich meine angestauten Gefühle gegen sie. Aber im Handumdrehen sah ich dann wiederum nur den Engel in ihr. Ich schämte mich dann dafür, daß ich ihr Böses tat, und es schmerzte mich vermutlich mehr als sie. Ich redete mir ein, daß sie für ihre Handlungen nicht verantwortlich zu machen sei. Sie mußte krank sein. Manisch-depressiv. Das zeigte sich an ihren Stimmungen. Sie hatte oft Launen, und was für Launen, aber sie war auch von

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