Gib mir Menschen
die Erde umkreisen, beworben. Aber dies wurde abgelehnt. Der Präsident höchst persönlich hat das Antwortschreiben unterzeichnet, und offiziell begründete er die Ablehnung mit meinem hohen Alter und meiner schlechten körperlichen Verfassung. Aber ich las zwischen den Zeilen heraus, daß er mir diese Abfuhr erteilte, weil er nichts für die Publicitysucht eines Kunstscharlatans übrig hatte. Also lebe ich in einem futuristischen Palast in der Sahara. Das Wasser bekomme ich per Lufttransport vom Nordpol, und ich habe mir meine eigene Oase geschaffen. Ich werde besser bewacht als der Weltpräsident. Ich lasse keinen Menschen zu mir, nicht einmal meine Wachen. Ich habe keine Freunde. Mit den Menschen verkehre ich nur noch per Visiphon, wobei die Bildverbindung allerdings einseitig ist. Mich bekommt man nicht einmal auf dem Bildschirm zu sehen.
Es gibt insgesamt drei Doubles von mir, die mich bei den Auftritten in der Öffentlichkeit abwechselnd vertreten. Ich sage ihnen stets, welche Bilder sie zu vernichten haben, und es handelt sich dabei nicht immer um Fälschungen, sondern hauptsächlich um jene Bilder, in denen ich Mora oder Anima wiedererkenne.
Ich bin verrückt, okay. Und ich weiß auch, wie ich es geworden bin. Eine alte Frau aus meiner Kindheit und ein gleichaltriges Mädchen während meiner Reifeperiode haben mich auf dem Gewissen, wobei ich mir immer noch nicht darüber klar bin, ob nicht Anima die Reinkarnation von Mora war. Diese Augen …
Ich habe einige gutbezahlte Metaphysiker unter Vertrag, die für mich Theorien über Seelenwanderung ausarbeiten und die von meinen Doppelgängern verbreitet werden. Vielleicht werde ich auf diese Weise auch noch zum Begründer einer neuen Philosophie, aber die Hoffnung, daß jene Meister, die Mora möglicherweise zur Seelenwanderung verholfen haben, Kontakt zu mir aufnehmen und mir die Wahrheit verraten, diese Hoffnung habe ich längst schon begraben. Und doch habe ich das sichere Gefühl, daß ich das Geheimnis noch einmal erfahren werde. Vorher will ich nicht sterben, ich könnte einfach nicht zur Ruhe kommen.
Ein Anruf aus der Bilderwerkstatt in Bagdad. Ich soll meine Meinung über einige frisch gepinselte Werke abgeben. Ich lasse sie mir über Bildfunk zeigen. Drei entsprechen durchaus meiner augenblicklichen Stimmung, und ich lasse sie mit Fluxus, Tenebris und Gurr signieren. Gurr geht mir einfach nicht aus dem Sinn. Der Name klingt so archaisch … Hat Anima, recte Mora, alias Messalina, Nofretete, Mona Lisa – Eva, diese ewige Seelenwanderin, hat sie auch schon in der Steinzeit gelebt? Fiel ihr gerade eine Episode aus einem weit zurückliegenden Leben ein, als sie mir gegenüber Gurrs Tod betrauerte? Der Blitz hat ihn getroffen! Dabei war er ein so gelehriger Schüler! Hätte er das Rad erfinden sollen?
Oder kommt Anima von den Sternen? War sie als Mora die Herrscherin von Antares, Wega oder Alpha Centauri, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, einigen irdischen Schützlingen Nachhilfeunterricht zu geben? UFOs und Astro-Archäologie fielen mir ein, und ich beschäftigte mich auch mit diesen Phänomenen. Und war Bieröffner ihr Adlatus und Paladin? Dieser ratlose Genius, der die Daten der irdischen Geschichte durcheinanderbrachte, aber Weltraumabenteuer erzählen konnte, als hätte er sie selbst erlebt. War er ihr sternenblütiger Beschützer, den sie als meinen Lehrmeister abkommandiert hatte? Wo hatte Mora den Konversationswürfel her – und wie kam sie in den Besitz des Faustkeils?
Ich hatte Zeit genug, mich mit diesen Fragen zu beschäftigen, und ich wollte nicht sterben, bevor ich nicht die Antworten darauf gefunden hatte. Und wenn ich nochmals hundert Jahre ausharren mußte. Ich weiß, alle Menschen sind sterblich, aber manche sind zäher und hartnäckiger.
»Hallo!«
Da stand ein kleines Mädchen. Etwa sieben Jahre alt. Es war nach menschlichem Ermessen unmöglich, daß sie in meinen Palast eingedrungen sein konnte. Und doch stand sie auf einmal in meinem Allerheiligsten, das vorher noch kein anderer Mensch außer mir betreten hatte. Sie war da, ohne daß die Alarmanlage ihr Eindringen registriert hätte.
Dieser Schock war für mich so groß, daß mein Herz aussetze und ich für einen Moment das Bewußtsein verlor. Nicht die Tatsache, daß es einem kleinen Gör gelungen war, unbemerkt in mein Mausoleum einzudringen, setzte mir so zu. Ich erschrak, weil ich in ihr Mora und Anima wiedersah. Das kleine Mädchen war das fehlende Glied in der Kette
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