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Gib mir Menschen

Gib mir Menschen

Titel: Gib mir Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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Wahrscheinlich hatte sie bis zuletzt gehofft, daß sie mitkommen durfte. Aber das war einfach nicht drin. Sie war ja ein ganz netter Aufputz, aber bei gewissen Anlässen hatte sie einfach nichts zu suchen, weil man nie wußte, ob nicht ihre Rocker-Manieren zum Durchbruch kamen.
    Manchmal wünschte ich mir, daß ihr Jimmy käme und sie sich zurückholte. Aber vermutlich hätte das meine Eitelkeit gar nicht zugelassen. Und der Mensch muß schließlich von etwas leben.
    Hätte ich damals schon gewußt, daß ich sie nie wiedersehen würde, mein Abschied wäre sicherlich anders ausgefallen.
     
    Normalerweise fahre ich mit dem Taxi in die Innenstadt. Aber da ich noch massenweise Zeit hatte, nahm ich den großen Amerikaner. Der Buick, Baujahr 57, war ein solch chromblitzendes Monstrum, daß ich sogar beim Opernball damit Aufsehen erregt hätte. Parkplatz fand man damit im Zentrum natürlich keinen, aber da ich nicht in Eile war, konnte ich den Wagen in einer Tiefparkgarage abstellen und mich dann zu Fuß zu der angegebenen Adresse aufmachen.
    Spielmannstraße 17 lag in einer ruhigen Gegend, abseits von den Hauptverkehrsadern, am Rand der Fußgängerzone. Hier gab es noch viel altes Gemäuer, aber die Nummer siebzehn war ein moderner Glas-Beton-Klotz, ein typisches Bürogebäude, das wie ein Fremdkörper aus der Front alter Häuser herausragte.
    Das Portal war mit Kunststein verschalt, die Glasflügeltüren standen offen. Ich trat hindurch. Es gab eine Portiersloge, in der ein alter Mann saß. Er trug eine graue Uniform mit grünen Passen, hatte die Kappe ins Genick geschoben, so daß das buschige, graue Haar über seine Stirn quoll. Er war so in ein Kreuzworträtsel vertieft, daß er mich erst bemerkte, als ich in seine Loge trat.
    Er zuckte leicht zusammen, faßte sich aber sofort wieder.
    »Nichts verraten«, sagte er, noch bevor ich den Mund öffnen konnte. »Sie wollen Unsterblichkeit, stimmt’s?«
    Ich feixte.
    »War wohl nicht schwer zu erraten. Es finden sich sicher viele Neugierige, die auf das Inserat kommen.«
    »Richtig«, bestätigte er, erhob sich und verließ seine Loge. »Aber wenn sie wieder gehen, haben sie alle lange Gesichter. Ich fahre Sie hoch, wenn’s recht ist.«
    Er führte mich zum Aufzug, ließ mir den Vortritt und drückte die Taste für die zehnte Etage, nachdem er mir gefolgt war. Die Türen schlossen sich, die Liftkabine ruckte an.
    »Und wie steht es mit dir, Opa?« fragte ich.
    »Ich hab’s auch versucht«, sagte er ohne Verlegenheit. »Aber nicht, weil ich wild auf ewiges Leben bin, sondern weil mich die Frau Doktor dazu eingeladen hat. Wir kennen einander schon lange. Ich war schon in dem Haus Portier, das mal an Stelle dieses Betonkobens hiergestanden hat. Und ich war schon vor dreißig Jahren hier, als die Frau Doktor ihre Praxis eröffnete. Seit sie in die neuen Büroräume eingezogen ist, ist sie nicht mehr die alte …«
    »Jünger?« hakte ich sofort ein.
    Wir waren angekommen. Der Aufzug hielt, die automatischen Türen gingen mit leisem Seufzen auf.
    »Nein, nicht so«, sagte der Alte lachend und ohne mir aus der Kabine zu folgen. »Ich meine, sie hat ihr Verhalten verändert. Früher war sie eine fröhliche, quicklebendige Frau, jetzt kommt sie mir manchmal wie eine Traumwandlerin vor. Aber ich mag sie immer noch, und als sie mir anbot, mich einem Eignungstest zu unterziehen, da konnte ich eben nicht nein sagen.«
    »Und wie war der Test?«
    »Fragen Sie mich was Leichteres, Herr.« Er zuckte die Achseln. »Ich habe keinen blassen Dunst mehr davon. Ich weiß nur, daß ich durchgefallen bin. Vielleicht haben Sie mehr Glück.« Er beugte sich aus der Kabine und deutete den Gang hinunter. »Diese Tür dort.«
    Ich drückte ihm einen Geldschein in die Hand. Während ich mich der bezeichneten Tür näherte, hörte ich das leiser werdende Singen des fahrenden Lifts. Ich erreichte die Bürotür. Links war ein Firmenschild mit der Aufschrift: Dr. Paula Trotta – Notariatskanzlei. Darüber befand sich eine Klingel. Mein Finger zitterte etwas, als ich den Klingelknopf drückte.
    Eine Weile passierte überhaupt nichts, und ich wollte schon ein zweitesmal läuten. Aber da ging die Tür auf, ohne daß ich ein Geräusch dahinter gehört hätte.
    Vor mir stand eine große, schlanke Frau, deren Anblick mich überraschte. Die Stimme, die ich am Telefon gehört hatte, paßte nicht zu ihrer Erscheinung.
    Sie hatte das mit grauen Strähnen durchzogene Haar zu einer schwungvollen, modischen Frisur

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