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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Reh
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fünf.

21
    Er wachte auf, als ein Hund um das Haus schlich. Zumindest glaubte er, es wäre ein Hund. Ob es Tag war oder Nacht, konnte er nicht sagen. Als ihm die Frage einfiel, was ein Hund an einem Ort wie diesem suchte, hörte er ihn schon an der Hintertür. Stimmen. Ein sprechender Hund, dachte er wirr. Stand auf, horchte. Es war dämmrig, vielleicht bewölkt, vielleicht Morgengrauen. Der Schlaf hielt ihn noch fest, er glaubte, es wäre Jemal oder einer der beiden anderen. Er trat in den Flur. Etwas schabte an der Tür. Er hörte ein Ächzen, dann sprang die Tür auf.
    »Jemal?«
    Es war nicht Jemal. Einer der Männer war eher arabischer Herkunft, der andere, dahinter, schwarz. Er hielt etwas in der Hand. Als die beiden Männer ihn im Halbdunkel des Flurs entdeckten, stürmten sie auf ihn zu. Etwas traf ihn hart am Knie, er knickte ein, dann kribbelte seine Nase, wie beim Tauchen, wenn Wasser eindringt. Warme Flüssigkeit auf seinen Lippen. Als sein Hinterkopf gegen die Wand knallte, versuchte er, sich irgendwo festzuhalten, bekam aber nur den Türrahmen und ein Hosenbein zu fassen, das sofort zurückgezogen wurde. Er kippte zur Seite, dann spürte er einen Tritt in seinen Magen. Einen zweiten. Dann eine Hand, die seinen Kopf an den Haaren hochzerrte. Das Messer konnte er nicht sehen, aber die Klinge am Hals fühlte er deutlich. Niemand redete. Einer der Männer ging vorbei und wühlte nebenan in seinen Sachen. Als er zurückkam, sagte der andere: »The key. Of you car. Where is it?«
    »It’s in … in my pocket«, brachte er heraus. Warmer Sirup in seinem Mund. Geschmack nach Eisen. Er wollte in seine Hosentasche greifen, da traf ihn irgendwas auf seiner Hand, im nächsten Augenblick zersprangen seine Fingerknochen wie schockgefrorenes Glas. Er kreischte. Der Mann, der ihn an den Haaren festhielt, wühlte in seiner Hosentasche und zog den Schlüssel heraus. »Your wallet!«
    Er wollte mit seiner getroffenen Hand nach hinten greifen, zuckte aber vor Schmerz zusammen und ließ sie sofort wieder sinken.
    »B… backpocket.«
    Es regnete Karten: Krankenkasse, Mitgliedskarten des   TC   Obereschbach, des Golfclubs, der Floatbase. Was er suchte, war die American Express.
    »Your number«, sagte er. Bevor Bernhard nachdenken konnte, hörte er sich leise antworten: »No.«
    Die beiden Männer rissen ihn hoch und stießen ihn mit der Gewalt eines Presslufthammers durch die Badezimmertür. Er ging zu Boden und schlug hart mit dem Kopf an den Badewannenrand. Die Bilder vor seinen Augen auf Strobo geschaltet. Er dachte, dass es jetzt schnell gehen würde. War erleichtert. Es war nicht schlimm: Die Schmerzen, die er haben musste, spürte er nicht. Es geschah einfach. Überall sah er Blut, aber es war nicht seins. Wieder wurde er hochgerissen. Es war wie ein Sturm, der mit ihm spielte. Ihm klarmachte, dass er nichts dagegen tun konnte. Dass er nur eine winzige Kraft war verglichen mit der großen der Elemente.
    Wieder knickte er in den Knien ein, dann lag er quer in der Badewanne, die Beine über dem Rand. Das Messer war ein großes, geschwungenes Buschmesser, wie eine Machete. Er konnte es jetzt gut sehen. Die Spitze zeigte genau auf sein Auge.
    »You’ve got two eyes left to lie. Give me the fucking number. Three.«
    »I … I.«
    »Two.«
    »Wait a second …«
    »One.«
    »Okay, wait, 7841.«
    Wieder traf ihn etwas am Kopf, dann ging das Licht aus. Das Nächste, was er spürte, war kalte Nässe. Der Schwarze leerte eine Flasche über ihm aus. Sofort dachte er an Benzin, Panik setzte das Adrenalin in seinem Körper in Flammen. Er schrie. Dann, nur langsam, roch er erleichtert: nichts. Kein Benzin, kein Alkohol, es roch nach überhaupt nichts. Wasser.
    »The number of your credit card. Again.«
    »But I told you …«
    » REPEAT   IT !«
    »7841.«
    Der Araber ließ von ihm ab und steckte das Messer weg. Er lächelte. »Thank you for your cooperation.«
    Dann hob der Schwarze erneut den Totschläger, kam auf ihn zu, Bernhard schrie irgendetwas, dann –

22
    Die Nachricht war über den Bloomberg-Ticker gegangen, als Bernhard gerade von der Toilette kam. Viele Mitarbeiter waren aufgestanden und sahen gebannt auf die beiden Monitore, die in der Nähe des Eingangs angebracht waren. Sie hatten Papandreou Hilfe zugesagt. Niemand konnte sich mehr darüber wundern. Trotzdem war es still. Offene Münder. Wie beim Einritt der Apokalyptischen Reiter. Er hätte sie am liebsten laut gefragt: Was, Leute? Was gibt es daran

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