Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
ignorierte die zaghafte kleine Stimme in ihrem Kopf, die zur Aufgabe mahnte. Falscher Zeitpunkt, falsche Stimmung, Aktion abblasen! Ihr fielen die beiden Chinesen ein, von denen Joachim gesprochen hatte – Timing und Styling. Wenigstens das Styling stimmte, auch wenn es Joachim noch nicht aufgefallen war. Aber das ließ sich ändern.
Entschlossen nahm sie seine rechte Hand und legte sie auf die Stelle ihres Dekolletés, wo sich der Spitzenbody teilte. Jetzt endlich merkte er, dass etwas anders war. Zerstreut betrachtete er erst Annes Gesicht, dann seine Hand und schließlich den Spitzenbody.
»Oh. Ist das Dingsda neu?«
Dingsda. Der überschlug sich ja nicht gerade vor Begeisterung. Anne verschwieg lieber, dass dieses hübsche Dessous seit sechs Jahren nutzlos im Wäscheschrank vor sich hin gammelte. Weil sie nie einen Gedanken an das erotische Darunter verschwendet hatte. Was zweifellos ein Fehler gewesen war.
»Funkelnagelneu«, strahlte sie.
Mit großen Augen schlug er ihren Bademantel auseinander und betrachtete die luxuriöse schwarze Spitze, die sich wie eine zweite Haut an Annes Körper schmiegte. Jetzt hatte sie ihn da, wo sie ihn haben wollte.
»Tja«, er schloss den Bademantel wieder. »Du verbrennst ganz schön viel Kohle, würde ich sagen. Letzte Woche waren es neue Schuhe, gestern diese dämliche Cellulite-Creme, heute hat Madame sich teure Wäsche geleistet. So wird das nie was mit dem Haus am Waldrand.«
Wie ein angestochener Luftballon sackte ihre Vorfreude in sich zusammen. Ihr wurde kalt. Eiskalt.
»Und ich dachte …«, stieß sie mit erstickter Stimme hervor.
Er runzelte die Stirn. »Was?«
»Dass du, dass ich, dass dir das gefallen würde«, schluchzte sie. »Dass du die Wäsche – sexy finden würdest! Und dass wir …«
Sie brachte den Satz nicht zu Ende. Heiße Tränen schossenihr in die Augen. Das Desaster war komplett. Keine Nummer unter diesem Anschluss. Völlig aufgelöst heulte sie los.
Betroffen streichelte Joachim ihre Wange. »Oh, Schatz, entschuldige, natürlich finde ich dich sexy. Sowieso. Ob mit oder ohne Wäsche.« Er versuchte, sie zu umarmen. »Komm, wir kuscheln ein bisschen.«
Grob machte sie sich los. »Ich will aber nicht nur kuscheln! Merkst du denn gar nicht, wie du mich vernachlässigst? Seit hundert Jahren haben wir nicht mehr miteinander geschlafen! Nennst du das eine Ehe?«
Sie wartete keine Antwort ab, sondern rannte ins Schlafzimmer, warf die Tür hinter sich zu und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Sollte sich Joachim doch gehacktlegen mit seiner Nörgelei über Schuhe, Cremes und teure Wäsche. Ihr reichte es jetzt. Er konnte ruhig auf der Couch übernachten und darüber nachdenken, was er ihr angetan hatte.
Anne war schon fast weggedämmert, als ihr Handy eine Fanfare von sich gab. Eine SMS von Tess. Sorry, Süße, hab geschummelt. Nix lief. Wir müssen dringend telefonieren.
Kapitel zwei
Irgendetwas bummerte in Annes Hirn herum. Es war ein wahrer Trommelwirbel. Schlaftrunken schlug sie die Augen auf und sah zum Wecker. Halb neun. Das Gebummer kam aus ihrem Kopf. Er kämpfte mit dem schweren Rotwein, den Frau Ich-bin-die-beste-Gastgeberin-der-Welt-Huber zum sautierten Rinderfilet mit marinierten Ingwerblättchen serviert hatte. Aber das war nicht alles. Jemand bummerte heftig an die Schlafzimmertür. Komisch. Sonst kam Lars doch immer reingestürmt, ohne lange anzuklopfen.
Anne setzte sich auf. Erst jetzt entdeckte sie, dass das Bett neben ihr leer war. Plötzlich fiel ihr alles wieder ein. Der missglückte Annäherungsversuch. Der Streit. Ihre Flucht ins Schlafzimmer. Wut, Enttäuschung, das ganze Programm.
»Schatz? Mach auf!«, rief Joachim. »Hörst du mich?«
»Nein!«
Trotzig schlang Anne die Arme um ihre angezogenen Knie. Sie trug noch immer den Spitzenbody. Blödes Teil.
»Ich hole Brötchen!«, rief Joachim durch die geschlossene Tür. »Und dann frühstücken wir, ja? Ist ein Friedensangebot!«
Das war wirklich nett. Dummerweise stand Anne nicht der Sinn nach Nettigkeiten. Sie war in ihrer Weiblichkeit verletzt. Das ließ sich nicht mit ein paar schlappen Brötchen wiedergutmachen.
»Kauf, was du willst!«, schrie sie heiser. »Aber lass mich in Ruhe!«
Stille. Joachim schien nachzudenken.
»Es tut mir leid wegen gestern Abend«, versuchte er es aufs Neue. »Können wir darüber reden?«
Für Joachims Verhältnisse war das ein sensationelles Angebot. So sprachgewandt er im Job auch war, zu Hause herrschte schon lange
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