Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
Freude, dass ihm ein derart festlicher Empfang bereitet wurde.
»Danke, Mami«, rief er immer wieder und bestand darauf, die Samen von Möhren und Radieschen auf der Stelle in die Erde zu streuen.
Warum musste Marc in der Kanzlei auftauchen?, dachte Anne. Warum ist das Schicksal so gemein zu mir? Ihr Körper glühte immer noch von Joachims Umarmung, doch in ihrem Herzen war es polarkalt und zappenduster. War dies tatsächlich das Ende, wie Joachim gesagt hatte? Es ging ihr durch und durch, wenn sie an sein enttäuschtes Gesicht dachte. Für ihn musste es ja so aussehen, als hätte sie eine Affäre mit Marc.
Während Anne zusammen mit Lars die Pflanzkästen einweihte, telefonierte Tess in der Küche mit Oma Brownie. »Alles okay«, verkündete sie, als sie mit erhobenem Daumen wieder auf die Dachterrasse kam. »Aber wir sollten hier so schnell wie möglich verschwinden.«
Eilig packte Anne die Playmobilschachtel und ein paar Kleidungsstücke für Lars in einen Rucksack, und schon wenige Minuten später saßen sie wieder im Wagen. Für Lars war das alles glücklicherweise ein Riesenabenteuer. Erst die Reise ans Meer, dann die Geschenke, nun freute er sich auf das Wochenende bei Oma Brownie. Aus seiner Perspektive war es wie Weihnachten und Ostern zugleich. Auch deshalb, weil Anne ihm versichert hatte, nicht bei Oma Brav antanzen zu müssen.
Es war schon dunkel, als sie etwas erschöpft vor dem Grundstück von Oma Brownie aus dem Wagen kletterten. Der Garten sah wie ein verzaubertes Märchenland aus. In den Zweigen der Bäume hingen bunte Lichterketten, die sacht im Wind schaukelten, brennende Fackeln markierten den Weg zum Haus. Wie immer im Jeans-Overall, kam Oma Brownie ihnen entgegen.
»Ich habe das Auto gehört«, sagte sie. »Willkommen in meinem magischen Reich.«
Lars fiel ihr überschwänglich um den Hals. »Hallo, Oma Brownie, ich kann jetzt schwimmen! Und Mami hat mir einen Garten geschenkt!«
Seine Großmutter nahm ihn auf den Arm. »Mein großer Junge. Schön, dass du wieder da bist. Und schön, dass du Besuch mitgebracht hast. Ich habe eine ganz große Reispfanne für euch alle gekocht!«
Sie trug Lars, der sich selig an sie schmiegte, ins Haus, gefolgt von Anne und Tess. Der Küchentisch war gedeckt, auf dem Herd stand ein riesiger Wok, in dem es verheißungsvoll zischte und dampfte. Doch schon vom Duft der Reispfanne wurde Anne übel. Was hatte Joachim vor? Sie konnte an nichts anderes mehr denken. Bestimmt würde er es nicht kampflos hinnehmen, dass Anne ihren gemeinsamen Sohn nach Piratenart gekapert hatte. Er würde zurückschlagen, fragte sich nur, wie. Vermutlich stand er gerade in der geschmückten Wohnung und sann über seine nächsten Schritte nach.
Schon nach einer Viertelstunde, sie hatten sich kaum gesetzt und angefangen zu essen, fielen Lars die Augen zu. Leise schnarchend lag er auf der Küchenbank. Er schnarcht wie Joachim, dachte Anne gerührt. Und er braucht uns beide, Joachim und mich. Werden wir jemals wieder eine Familie sein?
»Ich bringe ihn ins Bett«, flüsterte Oma Brownie. »Im Kühlschrank steht eine Flasche Weißwein. Bis gleich.« Behutsam nahm sie Lars in die Arme und trug ihn hinaus.
»Ich glaub, ich brauch jetzt einen Schnaps«, ächzte Tess. »Kein Vollrausch auf der Flucht! Ein Glas Wein muss reichen.«
Anne war schon aufgestanden und suchte einen Flaschenöffner, was in Oma Brownies Tohuwabohu nicht gerade die leichteste Übung war. Sie fand ihn schließlich zwischen einer beachtlichen Sammlung von Teedosen, in denen sich vermutlich nicht nur Tee befand.
Tess hatte schon den Wein herausgeholt. Mit geübten Bewegungen öffnete Tess die Flasche. »Die erste Etappe liegt hinter uns. Wie geht es weiter, Anne? Auf Dauer kannst du nicht vor Joachim flüchten. Er ist zwar ziemlich behämmert, abernicht behämmert genug, um nicht auch hier nach Lars zu suchen.« Sie fand drei Gläser in dem bemalten Bauernschrank, stellte sie auf den Tisch und goss sie bis zum Rand voll.
Unwillkürlich lauschte Anne. Stand Joachim womöglich schon vor der Tür? Mit Mutti ? Oder gleich mit der Polizei? Aber es war nur das Rauschen der Bäume zu hören und die leise Stimme von Oma Brownie, die nebenan so etwas wie ein Schamanen-Gute-Nacht-Lied summte.
Tess trank ihr Glas auf einen Zug aus und füllte es sofort wieder. »Trink mal einen Schluck. Das Zeug ist überraschend gut.«
»Es ist alles so verfahren.« Müde lehnte sich Anne auf ihrem Stuhl zurück. »Joachim glaubt
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