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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Carribean-Apartment-Anlage, einer umgebauten Fabrik in Fitzroy. Sie empfingen die Kunden hier oder besuchten sie in Hotelzimmern. An einem guten Wochenende kam jede auf fünfzehnhundert Dollar und auf weitere fünfzehnhundert unter der Woche. Ken, der in einem der angrenzenden Apartments wohnte, gab ihnen nur ein Drittel davon, aber er zahlte ihre Rechnungen und schleppte ihnen keine Fieslinge an, also beschwerten sie sich nicht. Jedenfalls erinnerte er sie immer daran, daß er nur ein Zahnrad im Getriebe war. Er behielt eintausend Dollar Provision für sich, der Rest wanderte zu irgendeinem Syndikat in Sydney.
    Es war 15 Uhr und Ken begann einen neuen Tag.
    Zuerst erledigte er den Papierkram für die Wochenendeinnahmen. Montags sammelte er von Cher und Simone alles ein, so lautete die Verabredung, erledigte den Papierkram am darauffolgenden Dienstag und wartete dann, bis am Abend der Bote kam, um das Geld abzuholen.
    Fünftausendsechshundert Dollar. Guter Durchschnitt. Am Freitag würde eine Tagung für Reiseveranstalter beginnen, dann würde der Umsatz etwas anziehen. Er stopfte das Geld in eine Geldkassette, verschloß sie und schob sie in die unterste Schublade seines Schreibtischs.
    Er liebte es, jeden Nachmittag um diese Zeit die Lygon Street entlangzuschlendern. Er hätte sich auch für die Brunswick Street interessiert, aber dort waren eher Pferdeschwänze angesagt, 50er-Jahre-Klamotten und blutarme, schwarz gekleidete Punkgrufties. Lygon Street entsprach mehr seiner Szene. Er ging in das Schlafzimmer und zog eine weite, metallisch schimmernde Bundfaltenhose an, ein schwarzes Seidenhemd, ein in Falten gelegtes Jackett mit ausladenden Schultern und feinen Karos und flache italienische Schuhe, so leicht, daß sie sich wie Hausschuhe anfühlten. Er betrachtete sein Gesicht. Er war niemand, mit dem man Streit suchte.
    15 Uhr fünfundzwanzig. Zeit, sich auf den Weg zu machen. ›Hey, Ken‹, würden die Jungs in der Lygon Street sagen. ›Wie laufen die Pferdchen?‹ Zunächst hatte er den Witz nicht begriffen, später schon, und von da an wußte er, daß er akzeptiert war.
    Es klingelte. Er sah durch den Spion. Niemand da. Der Hausflur war leer.
    »Wer ist da?« fragte er.
    Keine Antwort.
    Das machten diese Kinder ständig. Der Junge würde die Herald-Sun ausliefern und an jeder Tür klingeln, ob die Person die Zeitung nun abonniert hatte oder nicht. Ken öffnete die Tür. Den kleinen Bastard würde er gleich haben.
    Es war diese Art von Ereignissen, die sich in schlechten Träumen abspielte: Die beiden Männer, die durch die Tür auf ihn zukamen, trugen Masken. Irgend etwas – das Türblatt – verletzte seine Lippe. Die Männer schlugen ihn, schleuderten ihn gegen die Wand, stießen die Tür hinter sich zu. In fünf Sekunden war es vorbei.
    Kaum eine Minute später hatten sie ihn in einem Sessel, und der fette Kerl, der nach Pfefferminz roch, fuchtelte mit einer Waffe vor seinem Gesicht herum und sagte: »Kenny, wir wollen dein Bargeld.«
    Der andere, ein schlanker, beweglicher und drahtig aussehender Kerl, untersuchte schnell die anderen Zimmer, kam zurück und blieb an den Türrahmen gelehnt stehen. Ihn umgab eine Aura des Schweigens.
    »Was für Bargeld?« fragte Ken.
    Der drahtige Bursche wirbelte herum: »Er verschwendet nur unsere Zeit. Nimm alles auseinander«, und er fing an, Bilder von den Wänden zu reißen, die Covers des Penthousemagazins zu zerknüllen und das Stephen-King-Taschenbuch vom Couchtisch zu fegen.
    Der Fette zog ein Messer heraus, schlitzte das graurosa Sofa auf; zweitausend Dollar bei Ikea.
    »Was soll das verdammt noch mal?« sagte Ken. Seine Stimme überschlug sich. Er versuchte es noch mal: »Wer seid ihr. Was wollt ihr?«
    Der Drahtige sagte: »Das Geld. Die Wocheneinnahmen.«
    »Ihr wißt ja nicht, worauf ihr euch da einlaßt«, sagte Ken. »Ich arbeite nicht allein. Das Resultat hiervon werden ein paar stinksaure Gesichter sein.«
    »Du gibst also zu, daß du das Geld hast?« fragte der Fette.
    »Das wird verdammten Ärger geben. Außerdem –« Kens Stimme stieg wieder verräterisch an, »wie soll ich es denen wohl zurückzahlen?«
    Der Drahtige sah ihn an. »Hol einfach das Geld.«
    Auf dem Weg nach draußen grinste der Fette, und der Drahtige sagte: »Feiner Zwirn, den du da trägst, Ken.«
    Es war 15 Uhr dreißig. Sie waren in weniger als fünf Minuten hereingekommen und gegangen.

Achtzehn
    Gegen 16 Uhr dreißig stand Wyatt vor einem Gebäude in der Nähe der Queens Road,

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