Gier, Kerstin
Übelkeit, ihre
grünliche Gesichtsfarbe, die miese Laune und die schrecklichen Kopfschmerzen
geben könnte, aber das Phänomen Kater ist Tante
Glenda völlig fremd, schon gar bei der unfehlbaren Tochter. Sie ist felsenfest
davon überzeugt, dass Charlotte Leukämie hat. Oder einen Gehirntumor. Heute
Morgen war sie auch nicht bereit, an eine Wunderheilung zu glauben, und das,
obwohl Tante Maddy ihr ganz dezent eine Broschüre über den Umgang mit
Pubertierenden und Alkohol hingelegt hatte.«
Leslie
kicherte. »Ich weiß, das ist echt fies - aber ein bisschen Schadenfreude muss
auch mal erlaubt sein, ohne dass man sofort schlechtes Karma ansammelt, oder?
Nur ein bisschen. Und nur heute. Ab morgen sind wir ganz nett zu Charlotte,
ja? Vielleicht können wir sie mit meinem Cousin verkuppeln ...«
»Ja - wenn
du in die Hölle kommen willst, mach das ruhig.« Ich reckte meinen Hals, um über
die Köpfe der Schüler vor mir einen Blick auf James' Nische zu erhaschen. Sie
war leer. Obwohl ich es nicht anders erwartet hatte, gab es mir einen Stich.
Leslie
drückte meine Hand. »Er ist nicht da, oder?« Ich schüttelte den Kopf.
»Das heißt
dann wohl, der Plan hat funktioniert. Gideon wird mal ein guter Arzt werden«,
sagte Leslie.
»Du heulst
doch jetzt nicht wegen dieses snobistischen Holzkopfes?« Xemerius machte über
mir einen Purzelbaum in der Luft. »Dank dir durfte er ein langes und erfülltes
Leben führen, in welchem er ohne Zweifel eine Menge Menschen in den Wahnsinn
getrieben hat.«
»Ja, ich
weiß«, sagte ich und wischte mir verstohlen die Nase ab. Leslie reichte mir
ein Taschentuch. Dann entdeckte sie Raphael und winkte ihm zu.
»Und du
hast doch immer noch mich. Für den Rest deines ewigen Lebens.« Xemerius
streifte mich mit einer Art feuchtem Kuss. »Ich bin viel cooler. Und
gefährlicher. Und nützlicher. Und ich werde auch noch da sein, wenn dein
unsterblicher Freund es sich in zwei- oder dreihundert Jahren mal anders
überlegen und sich eine Neue anlachen sollte. Ich bin der treueste und schönste
und klügste Begleiter, den man sich nur wünschen kann.«
»Ja, ich
weiß«, sagte ich wieder, während ich im Weitergehen beobachtete, wie Raphael
und Leslie sich begrüßten - und zwar mit den drei obligatorischen
Wangenküsschen, die Raphael uns als typisch französisches Hallo verkauft hatte.
Irgendwie brachten sie es fertig, dabei mit ihren Köpfen zusammenzustoßen.
Xemerius
grinste frech. »Aber wenn du dich einsam fühlst: Wie wäre es, wenn du dir eine
Katze anschaffst?«
»Später
vielleicht«, sagte ich. »Wenn ich mal nicht mehr zu Hause wohne und du dich gut
beni...« Ich stockte. Vor mir, direkt aus der Wand zu Mrs Counters
Klassenzimmer, materialisierte sich eine dunkle Gestalt. Über einem
zerschlissenen Samtumhang ragte ein hagerer Hals in die Höhe, darüber starrten
mich die schwarzen, hasserfüllten Augen des Conte di Madrone alias Darth Vader
an.
Er
röchelte auch sofort los. »Hier finde ich Euch nun also, Dämon mit den
Saphiraugen! Ruhelos durchstreifte ich die Jahrhunderte, überall suchte ich
nach Euch und Euresgleichen, denn ich schwor Euch den Tod und ein Madrone
bricht niemals seinen Eid.«
»Ein
Freund von dir?«, erkundigte sich Xemerius, während ich vor Schreck stocksteif
stehen geblieben war.
»Aaargh«,
röchelte der Geist, zerrte sein Schwert aus dem Gürtel und kam damit auf mich
zugetaumelt. »Euer Blut wird die Erde tränken, Dämon! Durchbohrt werdet Ihr von
den Schwertern der heiligen florentinischen Allianz ...« Er holte zu einem
Schlag aus, der mir den Arm abgetrennt hätte, wenn es sich nicht um ein
Geisterschwert gehandelt hätte. Ich zuckte dennoch zusammen.
»Hey, hey,
hey, Freundchen, jetzt mach hier mal keinen Stress«, sagte Xemerius und landete
direkt vor meinen Füßen. »Von Dämonen hast du offensichtlich nicht den blassesten
Schimmer. Die da ist ein Mensch - wenn auch ein ziemlich eigenartiger - und
dein albernes Geisterschwert kann gar nichts gegen sie ausrichten. Wenn du
Dämonen töten willst, dann kannst du dein Glück aber gerne mal bei mir probieren.«
Darth
Vader war einen Augenblick lang irritiert. Dann keuchte er entschlossen: »Ich werde
niemals von der Seite der teuflischen Kreatur weichen, bis meine Aufgabe
erfüllt ist. Ich werde jeden Atemzug verfluchen, den sie tut.«
Ich
seufzte. Was für eine grauenhafte Vorstellung. Ich sah Darth Vader schon für
den Rest meines Lebens neben mir hertaumeln und mordlüsterne Parolen
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