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Gier, Kerstin

Gier, Kerstin

Titel: Gier, Kerstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smaragdgruen (Liebe geht durch alle Zeiten Bd 3)
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Gedanken lesen könntet«, platzte es dann ziemlich mutig aus mir heraus.
»Aber da habe ich mich wohl getäuscht.«
    Der Graf
lachte selbstgefällig. »Nun, ich bin sehr wohl in der Lage, vorherrschende
Gedankenströmungen zu erfassen. Aber meine Fähigkeiten sind keine Zauberei. Im
Grunde könnte das jeder lernen. Ich habe dir ja schon letztes Mal von meinen
Besuchen in Asien erzählt und wie ich mir dort die Weisheit und die Fähigkeiten
tibetanischer Mönche aneignen konnte.«
    Ja, das
stimmte. Und ich hatte schon beim letzten Mal nicht richtig zugehört. Auch
jetzt fiel es mir schwer, seinen Worten zu lauschen. Sie klangen plötzlich
seltsam verzerrt, mal ganz lang, dann wieder, als ob sie gesungen würden. »Was
zum ...«, murmelte ich. Vor meinen Augen bildeten sich rosa Schleier, die sich
nicht mehr wegblinzeln ließen.
    Der Graf
unterbrach seinen Vortrag. »Dir ist schwindelig, nicht wahr? Und jetzt wird
dein Mund ganz trocken, richtig?«
    Ja! Woher
wusste er das? Und warum klang seine Stimme so blechern? Ich starrte ihn durch
die merkwürdigen rosa Schleier hindurch an.
    »Keine
Angst, meine Kleine«, sagte er. »Das geht gleich vorbei, Rakoczy hat
versprochen, dass du keine Schmerzen leiden wirst. Du wirst eingeschlafen
sein, bevor die Krämpfe beginnen. Und - mit etwas Glück - auch nicht wieder
aufwachen, bevor es vorbei ist.«
    Ich hörte
Rakoczy lachen. Es klang wie diese Geräusche, die in einer Geisterbahn vom Band
kommen. »Warum ...« Ich versuchte zu sprechen, aber meine Lippen fühlten sich
mit einem Mal ganz taub an.
    »Nimm es
nicht persönlich«, sagte der Graf kalt. »Aber um meine Pläne zu verwirklichen,
muss ich dich leider töten. Auch das ist von der Vorsehung so bestimmt.«
    Ich wollte
meine Augen offen halten, aber es gelang mir nicht. Mein Kinn fiel auf die
Brust, dann klappte mein Kopf zur Seite und schließlich fielen mir die Augen
zu. Dunkelheit umfing mich.
     
    Vielleicht
bin ich ja diesmal wirklich gestorben, schoss es mir durch den Kopf, als ich
wieder zu mir kam. Aber eigentlich hatte ich mir Engel nicht als kleine, nackte
Jungen vorgestellt, die über gewaltigen Speckrollen nichts als dümmliches
Grinsen zur Schau trugen, so wie diese harfespielenden Exemplare hier. Die im
Übrigen auch nur an die Decke gemalt waren. Ich schloss die Augen wieder. Mein
Hals war so trocken, dass ich kaum schlucken konnte. Ich lag auf einer harten
Unterlage und fühlte mich so unendlich erschöpft, als würde ich mich nie mehr
bewegen können.
    Irgendwo
hinter meinem rechten Ohr hörte ich ein Summen. Es war das Trauermarschmotiv
aus der Götterdämmerung, Lady Aristas Lieblingsoper. Die Stimme, die das Thema
unangemessen flott interpretierte, kam mir vage bekannt vor, aber ich konnte
sie nicht zuordnen. Und nachschauen, zu wem sie gehörte, konnte ich auch nicht,
weil ich meine Augen einfach nicht mehr aufbekam.
    »Jake,
Jake«, sagte die Stimme. »Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet du mir auf
die Schliche kommen würdest. Aber nun hilft dir dein Medizinerlatein auch nicht
weiter.« Die Stimme lachte leise. »Denn wenn du aufwachst, bin ich schon längst
über alle Berge. In Brasilien ist es um diese Jahreszeit recht angenehm, musst
du wissen. Ich lebte dort ab 1940. Und auch Argentinien und Chile haben viel zu
bieten.« Die Stimme pausierte einen Moment, um ein paar Takte des Wagner-Themas
zu pfeifen. »Es zieht mich immer wieder nach Südamerika. Brasilien verfügt
übrigens über die besten Schönheitschirurgen der Welt. Sie haben mich von den
lästigen Schlupflidern, der Hakennase und dem fliehenden Kinn befreit. Weshalb
ich glücklicherweise meinem eigenen Porträt so gar nicht mehr ähnlich sehe.«
    In meinen
tauben Armen und Beinen prickelte es. Doch ich beherrschte mich. Vermutlich war
ich im Vorteil, wenn ich mich erst einmal nicht bewegte.
    Die Stimme
lachte. »Aber selbst wenn mich jemand hier in der Loge erkannt hätte«, fuhr sie
fort, »bin ich mir sicher, niemand von euch hätte so viel Grips gehabt, die
richtigen Schlüsse zu ziehen. Abgesehen von diesem lästigen Lucas Montrose.
Viel hätte nicht gefehlt und er hätte mich entlarvt ... Ach Jake, und nicht
mal du hast erkannt, dass er keinem Herzinfarkt erlegen war, sondern den
perfiden Methoden von Marley senior. Weil ihr Menschen nun mal immer nur seht,
was ihr sehen wollt.«
    »Du bist
ein ganz gemeiner doofer Mann«, piepste es irgendwo hinter mir angstvoll. Der
kleine Robert! »Du hast meinem Papa wehgetan!« Ich

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