Gier, Kerstin
bis auf den letzten Tropfen zu leeren.«
»Jetzt
raffe ich es!«, rief Xemerius. »Das war also euer genialer Plan! Gideon hat
den Stein der Weisen aufgefuttert und ist jetzt ebenfalls unsterblich. Nicht
mal schlecht, vor allem, wenn man bedenkt, dass Gwenny sich sonst doch irgendwann
mal ziemlich einsam gefühlt hätte.«
Der kleine
Robert hatte die Hände von seinem Gesicht genommen und sah uns mit großen
Augen an. »Alles wird gut, mein Schatz«, sagte ich zu ihm. Wie schade, dass es
noch keine Psychotherapeuten für traumatisierte Geister gab - das war doch mal
eine Marktlücke, über die es sich nachzudenken lohnte. »Dein Vater wird sich
wieder erholen! Und er ist ein Held.«
»Mit wem
sprichst du?«
»Mit einem
tapferen Freund«, sagte ich und lächelte Robert an. Er lächelte zaghaft zurück.
»Oh, oh,
ich glaube, er kommt zu sich«, sagte Xemerius.
Gideon
ließ mich los, stand auf und sah auf Mr Whitman hinunter. »Ich werde ihn wohl
fesseln müssen«, sagte er mit einem Seufzer. »Und Dr. Whites Wunde muss
verbunden werden.«
»Ja, und
dann müssen wir die anderen aus dem Chronografenraum befreien«, sagte ich.
»Aber vorher sollten wir uns genau überlegen, was wir ihnen erzählen.«
»Und davor
sollte ich dich unbedingt küssen«, sagte Gideon und nahm mich wieder in die
Arme.
Xemerius
stöhnte. »Also wirklich! Dafür habt ihr doch ab jetzt die Ewigkeit zur
Verfügung!«
Am Montag
in der Schule war alles wie immer. Na ja - fast alles.
Cynthia
hatte trotz der frühlingshaften Temperaturen einen dicken Schal um ihren Hals
geknotet und durchquerte hastig das Foyer, ohne nach links oder rechts zu
schauen.
Gordon
Gelderman folgte ihr auf dem Fuß. »Ach komm schon, Cynthia!«, brummte er. »Es
tut mir leid. Aber du kannst doch nicht ewig sauer auf mich sein. Außerdem war
ich nicht der Einzige, der deine Party ein bisschen ... äh . ..
aufregender
machen wollte - ich habe genau gesehen, wie der Freund von Madison Gardener
auch eine Flasche Wodka in die Bowle gegossen hat. Und Sarah hat schließlich
zugegeben, dass die grüne Götterspeise zu neunzig Prozent aus dem selbst
aufgesetzten Stachelbeerschnaps ihrer Großmutter bestand.«
»Geh
weg!«, sagte Cynthia, wobei sie angestrengt versuchte, eine Gruppe kichernder
Achtklässler zu ignorieren, die mit dem Finger auf sie zeigten. »Du ... du hast
mich zum Gespött der ganzen Schule gemacht! Das werde ich dir niemals verzeihen!«
»Und ich
Trottel habe diese Party verpasst!«, sagte Xemerius. Er hatte auf der Büste von
William Shakespeare Platz genommen, der seit »einem bedauerlichen kleinen
Unfall« (wie Direktor Gilles sich ausgedrückt hatte, nachdem Gordons Vater
eine sehr großzügige Spende zur Renovierung der Turnhalle geleistet hatte,
vorher hatte er von mutwilliger Zerstörung wertvollen Kulturgutes gesprochen)
ein Stückchen von der Nase fehlte.
»Cyn, das
ist doch Blödsinn!«, kiekste Gordon jetzt. Er würde wohl niemals aus dem
Stimmbruch kommen. »Kein Mensch interessiert sich dafür, dass du mit diesem
Vierzehnjährigen rumgemacht hast, und die Knutschflecken sind nächste Woche
wieder weg und im Grunde ist das doch sehr se... aua!« Cynthias flache Hand war
mit einem lauten Klatschen auf Gordons Wange gelandet. »Das tat weh!«
»Arme
Cynthia«, flüsterte ich. »Wenn sie gleich auch noch erfährt, dass ihr
angehimmelter Mr Whitman seinen Dienst quittiert hat, wird sie am Boden zerstört
sein.«
»Ja, es
wird komisch werden ohne das Eichhörnchen. Könnte sogar sein, dass uns Englisch
und Geschichte ab jetzt Spaß machen.« Leslie hakte sich bei mir ein und zog
mich Richtung Treppe. »Obwohl ich fair sein möchte. Ich konnte ihn nie
ausstehen - guter Instinkt würde ich mal sagen -, aber sein Unterricht war gar
nicht so übel.«
»Kein
Wunder - er war ja überall live dabei.« Xemerius folgte uns flatternd. Auf dem
Weg nach oben wurde ich von zunehmender Wehmut ergriffen.
»Der
Teufel ist ein Eichhörnchen«, sagte Leslie. »Jetzt wissen wir wenigstens,
woher diese Redensart stammt. Ich wünsche ihm, dass er in den Kerkern der
Wächter verrottet. Oh, jetzt rennt Cynthia heulend aufs Klo!« Sie lachte.
»Jemand sollte Cynthia das mit Charlotte erzählen, ich wette, dann fühlt sie
sich gleich besser. Wo ist deine Cousine eigentlich?« Leslie sah sich suchend
um.
»Bei einem
Onkologen!«, erklärte ich. »Wir haben vorsichtig versucht, Tante Glenda darauf
hinzuweisen, dass es auch andere Gründe für Charlottes
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