Gier, Kerstin
ausstoßen.
Ich würde meine Prüfungen versauen, weil er mir unentwegt ins Ohr röcheln
würde, meinen Abschlussball würde er mir verderben und meine Hochzeit und ...
Xemerius
dachte offensichtlich etwas Ähnliches. Treuherzig sah er zu mir hoch. »Darf
ich ihn bitte fressen?«
Ich
lächelte ihn an. »Wenn du so nett fragst, kann ich nicht Nein sagen!«
Auszug
aus der Londoner Gesellschaftsgazette Lady Danburys Journal 24. April 1785
Lord
und Lady Pimplebottorn gaben an diesem Wochenende die Verlobung ihres ältesten
Sohnes James Pimplebottorn mit Miss Amelia, jüngste Tochter des Viscount
Mountbatton, bekannt, was allerdings niemanden mehr überraschte, da Beobachter
schon seit Monaten von einer innigen Verbundenheit zwischen den beiden
berichten und man sie, Gerüchten zufolge, unlängst auf dem Ball der Claridges
(wir berichteten) Händchen haltend im Garten beobachten konnte. James
Pimplebottorn, der nicht nur durch sein gefälliges Aussehen und seine
tadellosen Manieren angenehm aus der leider viel zu geringen Menge der
vermögenden Gentlemen im heiratsfähigen Alter heraussticht, ist überdies ein
hervorragender Reiter und Fechter, während seine künftige Gemahlin sich durch
ihren exquisiten Kleidergeschmack und ihren lobenswerten Hang zur Wohltätigkeit
auszeichnet. Die Hochzeit des Paares wird im Juli auf dem Landsitz der
Pimplebottoms gefeiert.
Epilog
14. Januar 1919
Sehr hübsch, meine Liebe. Diese dezenten Farbnuancen wirken
elegant und dennoch gemütlich. Es hat sich doch gelohnt, die Vorhangstoffe aus
Italien kommen zu lassen, nicht wahr?« Lady Tilney war einmal durch den Salon
geschlendert und hatte alles begutachtet. Jetzt trat sie an den breiten Kamin
und rückte die Fotografien gerade, die hier in silbernen Rahmen aufgestellt
waren. Heimlich fürchtete Lucy, sie könne mit ihrem behandschuhten Zeigefinger
über den Sims fahren und ihr dann Vorwürfe machen, dass sie das Hausmädchen
nicht streng genug beaufsichtigte. Was definitiv der Fall war.
»Doch, ich
muss sagen, die Einrichtung hat wirklich Stil«, fuhr Lady Tilney fort. »Der
Salon ist nun mal die Visitenkarte eines Heims. Und hier sieht man sofort: Die
Dame des Hauses hat Geschmack.«
Paul
tauschte einen belustigten Blick mit Lucy und ließ Lady Tilney eine seiner
Bärenumarmungen angedeihen. »Ach Margret«, sagte er lachend. »Jetzt tu nicht
so, als sei das hier Lucys Werk. Du hast doch jede Lampe und jedes Kissen eigenhändig
ausgesucht. Ganz zu schweigen davon, wie du den Polsterer zur Schnecke gemacht
hast. Und wir können uns nicht mal revanchieren, indem wir dir beim Aufbauen eines
Ikearegales helfen.« Lady Tilney runzelte die Stirn.
»Entschuldige,
kleiner Insider.« Paul bückte sich und legte noch ein Buchenscheit auf das
prasselnde Feuer.
»Nur
dieses grauenhafte, verzerrte Bild macht die ganze Wirkung meiner Komposition
wieder zunichte!« Lady Tilney zeigte auf das Gemälde, das die gegenüberliegende
Wand zierte. »Könnt ihr das nicht wenigstens in einen anderen Raum ...?«
»Margret,
das ist ein echter Modigliani«, sagte Paul geduldig. »In hundert Jahren wird
er ein Vermögen wert sein. Lucy hat eine halbe Stunde lang gekreischt, als sie
ihn in Paris entdeckt hat.«
»Gar nicht
wahr. Höchstens eine Minute«, widersprach Lucy. »Die Zukunft unserer Kinder
und Kindeskinder ist damit jedenfalls gesichert. Damit und mit dem Chagall, der
im Treppenhaus hängt.«
»Als ob
ihr das nötig hättet«, sagte Lady Tilney. »Bestimmt wird dein Buch ein
Bestseller, Paul, und ich weiß, dass der Secret Service euch ein wirklich
beeindruckendes Gehalt zahlt. Was nur angemessen ist, wenn man bedenkt, was ihr
alles leistet.« Sie schüttelte den Kopf. »Obwohl ich es nicht unterstützen
kann, dass Lucy diesen gefährlichen Beruf ausübt. Ich kann kaum erwarten, dass
sie ein wenig häuslicher wird. Was ja nun Gott sei Dank der Fall sein wird.«
»Ich für
meinen Teil kann es gar nicht erwarten, dass endlich die Zentralheizung
erfunden wird.« Lucy ließ sich fröstelnd in einen der Sessel nahe des Kamins
fallen. »Von anderen Dingen ganz zu schweigen.« Sie sah hinüber zur Kaminuhr.
»In zehn Minuten werden sie hier sein«, sagte sie nervös. »Luisa könnte langsam
mal mit dem Tischdecken beginnen.« Sie blickte Paul an. »Was denkst du, wie
wird Gwendolyn es aufnehmen, dass sie ein Geschwisterchen bekommt? Ich meine,
das muss doch ein komisches Gefühl sein.« Sie strich sich über ihren leicht
gewölbten
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