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Giftiges Grün

Giftiges Grün

Titel: Giftiges Grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsemarie Maletzke
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Was haben Sie mit Lina gemacht? Ich krieg Sie! Ich leg Sie um!«
    »Ha ha«, sagte Eilemann. Gerswillers Wut machte ihm Spaß. Von wegen Pfeife. Es war vorbei mit dem Herumkommandieren. Von heute an würden die anderen nach seiner Musik tanzen.
    »Ich sage Ihnen jetzt, was Sie auf diese Mailbox sprechen werden. Dann beende ich das Gespräch, und wenn Sie in einer viertel Stunde zurückrufen und tun, was ich Ihnen gesagt habe, verrate ich Ihnen, wo Lina ist. Und dann machen Sie bitte ein bisschen hoppla, denn es geht ihr nicht gut. Andernfalls …« Aber so weit hatte Eilemann noch gar nicht gedacht. Deshalb wiederholte er nur drohend: »Andernfalls werden Sie es bereuen.« Er hörte Gerswiller Atem holen.
    »He, sind Sie noch dran? Hören Sie, Sie werden Folgendes sagen: Ich bin Johann Gerswiller und ich bekenne mich schuldig, in der Nacht zum 22. Juni 1977 Marion Bruant durch mein unverantwortliches, treuloses und schweinisches Verhalten in den Tod getrieben zu haben. Sie können’s gerne noch ein bisschen ausschmücken, aber das ist der Kernsatz, kapiert?« Und damit beendete er seinen Anruf.

    Lina machte die Augen auf und schmeckte Blut. Es lief ihr warm aus der Nase. In ihrem Kopf schien sich das Gehirn von seinem angestammten Platz gelöst zu haben und bei jeder Bewegung gegen die Schädeldecke zu stoßen. Sie erhob sich auf die Knie. Ihre aufgeschürften Handflächen brannten. Sie drückte den Hemdsärmel unter die Nase und rutschte dort hin, wo es etwas heller war, fand einen glatten wulstigen Rand und stemmte sich hoch. Dann erkannte sie den Raum. Es war das Pisspottzimmer.
    Langsam tastete sie sich zurück ins Dunkel, wo sie die Tür vermutete, fühlte kreidigen Putz, den Rahmen, die Angeln, keinen Griff. Sie lehnte ihre Stirn gegen die Tür und hielt still, bis das Hämmern im Kopf nachließ. In ihrer Benommenheit fühlte sie mehr Empörung als Angst. Was war in diesen Eilemann gefahren? Was hatte er mit ihr vor? Er konnte sie doch nicht einfach hier einsperren und sich verdrücken. Überraschung! Die war ihm gelungen! Der Blödmann hatte sie ausgetrickst. Und nun saß sie im Pisspottkeller!
    Die kleine Lina hatte diesen Raum immer mit besonderem Interesse aufgesucht, denn vor dem Einbau wasserspülender Klosetts hatten hier die Hausmädchen jeden Morgen die vollen Nachttöpfe in den Schlund eines weißen Steingutbeckens geleert. Sie erinnerte sich, dass zu ihrer Zeit noch immer Pötte und Wasserkannen auf einem hohen Bord standen und in der Ecke eine Schuhputzkiste. Jetzt war der Raum leer. Ein wenig Licht floss durch eine Luke oben in der Mauer. Sie wandte sich um und ging darauf zu. Immerhin, das Becken war noch da. Nur kein Wasser. Es gab peinlichere Verliese. Falls sie länger bleiben musste. Sie räusperte sich:
    »Hallo!«, rief sie, dann etwas lauter »Hallo«, und noch einmal »He, hallo, hallo!« Der Klang ihrer Stimme machte ihr Angst. Sie würde nicht um Hilfe schreien. Noch nicht. Stattdessen begann sie zu singen. Komm, lieber Mai und mache. Die Gedanken sind frei. Lebewohl, gute Reise.
    Es war kalt im Pisspottzimmer und ihre Kleider waren beim Gang durch den Regen feucht geworden. Sie kauerte sich auf die Kante des Beckens, zog die Knie hoch, begann ihre nackten Zehen zu biegen und die Füße gegeneinander zu reiben. Warum trug sie keine Schuhe? Weil sie ihre Espadrilles zusammengeknotet hatte. Als sie stürzte, waren sie ihr von der Schulter gerutscht.
    Mittlerweile hatten sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt. Die roten Strohschuhe lagen auf den Steinfliesen. Und weiter? In der Nische neben dem Becken lehnte ein hölzerner Stiel; ein Schrubber. Sie musste sich überwinden, ihn mit ihren zerschundenen Händen anzufassen, aber je fester sie zupackte, umso leichter war der Schmerz zu ertragen. Sie stülpte einen Schuh über das Ende, stieg in das Becken, suchte Halt für ihre Füße über dem Schlund und schob den Stiel auf die Luke zu. Er war zu kurz. Über dem Ausguss gab es ein Klappgitter, auf dem die Nachttöpfe abgestellt und ausgespült worden waren. Sie trat vorsichtig darauf. Es schnitt ihr in die Füße, es bog sich unter ihrer Last. Sie verlor das Gleichgewicht, der Schrubber entglitt ihr und knallte zu Boden. Beim rettenden Absprung fiel sie auf ihre zerschrammten Hände.
    Sie musste es vom hohen Rand aus probieren, ehe ihre Füße so kalt und taub waren, dass sie sich nicht mehr hinauftraute. So steckte sie den Schuh wieder auf den Stiel, kletterte zurück auf das Becken

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