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Giftiges Grün

Giftiges Grün

Titel: Giftiges Grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsemarie Maletzke
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Kapsel geruht. In Straßburg hatte sie den Botanischen Garten der Universität besucht und mit dem Direktor gesprochen, Dr. Munch, ein sehr kenntnisreicher Mann auf seinem Gebiet. Johann würde ihr einiges erklären müssen. Sie seufzte und die Pflegerin unterbrach ihre laute Lektüre.
    »Es ist genug, Agnes«, sagte Rose. »Sie können mich jetzt allein lassen. Nehmen Sie den Tee wieder mit.«
    In ein paar Monaten, einem Jahr – sie hoffte, es bliebe ihr noch eine gute Frist – würde sie nicht mehr die Kraft haben, die Pflegerin wegzuschicken. Agnes würde sie am Quai St. Thomas entlangschieben, Rose mit dem zitternden Mund, in den Rollstuhl gestopft, die Händen auf der Decke über ihren Knien, warm gehalten auch an hellen Sommertagen; an den buchfinkenfarbenen Herbsttagen, graublau wie der Kopf des kleinen Vogels, olivgrün wie sein Bürzel, rostrot wie die Brust, und dann der Winter, grau und schnittig wie ein Kleiber. Kleiberfarbene Dezembertage, dachte Rose, nein, so hätte er es nicht gesagt. Blaumeisenblaue Morgen, taubengraue Nachmittage, krähenschwarze Nächte. Und diesmal sah sie sich mit Henri im Park. Die frischen Blätter der Buchen schienen aus sich selbst heraus zu leuchten. Maienschein, das schönste Grün der Welt. Die Luft wie zum Trinken und die weißen Anemonen, die auf ihren dünnen Stängeln in der Brise flatterten. Buschwind-Röslein, sagte Henri. Er stand hinter ihr und hielt für sie das Fernglas. Da, schau mal, ein Buntspecht! – Fink und Star, Mönchsgrasmücke, Fitis und Eichelhäher, ja, Liebster, ja, der Eichelhäher, die Polizei im Walde. Rose lächelte vor sich hin, lehnte sich gegen ihn und wartete, dass er sie in die Arme schloss.
    Sie öffnete die Augen und wusste nicht, wo sie war. Früher war ihr das nur nach einem schweren Traum passiert und es ging schnell vorbei. Diesmal nicht. War das ihr Zimmer? Sie tastete nach der Klingel, um Marie zu rufen, aber nein, es war ja die andere, die Dunkle mit dem Greinen in der Stimme. Was lag hinter diesem Fenster? Sie dachte nach. Es war die Ill. Dies war Straßburg. Wenn sie die Pflegerin nach dem Namen fragte, würde das Mädchen glauben, dass sie ihre sieben Sinne nicht mehr beisammen hätte. Das wäre unerträglich. Sie würde ruhig bleiben und versuchen an etwas anderes zu denken, bis ihr der Name wieder einfiel. Sie würde an den Zeitungsartikel denken, den sie ihr vorgelesen hatte. Etwas über Möpse und deren Mängel war zu ihr durchgedrungen, eine Deformation, die dazu führte, dass diese Hunde nicht bellen, sondern nur keuchen konnten; man nannte es Qualzucht … Agnes. So hieß sie, Agnes Elflein. War sie unfreundlich zu Agnes gewesen? Natürlich nicht. Warum dann immer dieser Ton der Beschwerde? Es war nicht zu spät, eine besser gestimmte Pflegerin zu engagieren. Etwas mehr Lebensbejahung durfte man in diesem Alter wohl erwarten. Lebte Marie eigentlich noch? Alles rückte wieder an seinen Platz. Ihr Kopf war in Ordnung. Doch der Schreck war ihr ins Herz gefallen und liegen geblieben.
    Sie hatte klug gehandelt, als sie Alphonse sein Mandat abgenommen und wieder selbst über Buchfinkenschlag entschieden hatte. Eine gute Lösung. Sehr zufriedenstellend. Nun musste sie nur noch die Sache mit dem Testament klären. Dreißigtausend Euro hatte der arme Henri seinen Erben hinterlassen und zwei von ihnen hatten sich prompt in Richtung Quai St. Thomas in Marsch gesetzt, um herauszufinden, was sie wusste, oder um seinen Namen reinzuwaschen, wie er es gewünscht; das neugierige Linchen und ihr Bruder, der sich selbst eingeladen hatte. Und Johann.

    Die Art, wie Alphonse Bruant mit Johann Gerswiller umgesprungen war, hatte Eilemann tief beeindruckt. So etwas hätte er schon längst einmal selbst ausprobieren sollen. Stattdessen war er immer viel zu schnell mit allem einverstanden gewesen.
    Horst Eilemann war von einer großen Sehnsucht nach fernen Ländern erfüllt. Um ihnen näher zu kommen, ohne dafür bezahlen zu müssen, hatte er das führende Lifestylemagazin Extravagant erfunden und ins Internet gestellt. Er hatte sich zum Chefredakteur ernannt und eine passende Visitenkarte drucken lassen, mit der er auf Tourismus-Messen, bei PR -Agenturen und Fremdenverkehrsverbänden eifrig antichambrierte. Er war auch zu einigen Pressereisen eingeladen worden, gern mitgefahren, hatte jedoch keine Zeile über die vorteilhaft präsentierten Destinationen veröffentlicht und so waren das Magazin Extravagant und sein Chefredakteur bald

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