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Giftiges Grün

Giftiges Grün

Titel: Giftiges Grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsemarie Maletzke
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zertrümmerten Vertäfelungen. Als er den Innenhof erreichte, hatte das Singen aufgehört. Nichts rührte sich in dem großen Schacht. Er stand still, als er ein Schaben vernahm. Dann sah er, wie ein roter Fleck auf dem Sims einer Kellerluke erschien, als spähte ein kleines Tier aus seinem Bau, verharrte und purzelte in Form einer Strohsandale ins Freie. Er kniete sich hin und rief leise hinunter:
    »Lina? Alles okay?«
    »Ja, ja, ja, ach, Johann, liebster, bester Johann. Da bist du. Ich bin hier unten.«
    »Und wo ist der Typ?«
    »Ich weiß nicht. Er hat den Riegel vorgeschoben und ist verschwunden.«
    »Hat er eine Knarre?«
    »Nein, nein, nur einen Regenschirm.«
    »Ich schau mal nach. Warte noch. Ich bin gleich bei dir.«
    Er schlich weiter bis zur Eingangshalle. Dort saß Eilemann auf der Treppe, wandte ihm den Rücken zu und blickte gespannt auf das Display von Linas Handy. Die Viertelstunde war um.
    Gerswiller stellte lautlos das Gewehr ab, zückte sein Telefon und drückte die Rückruftaste. Eilemann sprang auf, als es klingelte. Er hatte den Lautsprecher eingeschaltet und so hörte der Anrufer seine eigene Stimme durch die Halle scheppern:
    »Ich bin Johann Gerswiller, und wenn Sie jetzt nicht die Hände hochnehmen und sich langsam umdrehen, dann brenne ich Ihnen ein zweites Loch in den Arsch. Ich kann meine Bitte gerne noch ein bisschen ausschmücken, aber das ist der Kernsatz, kapiert?«

    Bevor sie bei Tante Rose vorsprachen, kaufte Lina einen Rock und eine Bluse, wie sie schon dutzendfach in ihrem Schrank hingen. Johann half ihr beim Anziehen, weil sich Knöpfe und Reißverschluss ihren verbundenen Händen widersetzten, und sie lachte über ihn. Beim Ausziehen stellte er sich fingerfertiger an.
    Als er sie am Morgen aus dem Pisspottkeller befreite, hatte sie still im Dunkeln hinter der Tür gestanden und war ihm dann in die Arme gesunken im schmutzigen Hemd, mit blutiger Nase und aufgeschürften Händen. Eilemann war vertrieben. Er hatte den Schwanz eingezogen und das Weite gesucht. Sie musste keine Angst mehr haben. Alles war gut. Alles war gut.
    Aber warum hatte er ihr das angetan? Dieser falsche Schmunzler, dieser niedrige Mensch! Was bezweckte er damit? Hatte er wirklich etwas herausgefunden? Wollte er verhindern, dass sie mit Tante Rose sprach?
    »Keine Ahnung«, sagte er leichthin.
    »Ach, Johann, was bin ich froh, dass du mich da unten gefunden hast!«
    »Ich bin eben ein alter Pfadfinder, allzeit bereit. Und du hast so schön gesungen.« Ihr Lachen überschlug sich in einem Schluchzer.
    »Und ich hab’ schon geglaubt, ich müsste im Kerker verschmachten. Das war die längste Stunde meines Lebens.«
    »Es waren keine zwanzig Minuten.«
    »Wirklich? Es kam mir furchtbar lange vor. Und es war so kalt. Aber dieser Eilemann. Ich muss mit ihm reden! Wo ist mein Handy?«
    »Später. In deiner Tasche. Jetzt müssen wir dich erst mal stadtfein machen.«
    In seiner Küche hatte er sie verarztet, ihr das Blut abgewaschen, die Haare gekämmt, ihre Füße in seinem Schoß gewärmt und ihr mit der Pinzette Dreck und Splitter aus den Handflächen gezogen, die sie ihm über dem Tisch entgegenhielt.
    »Ist wie beim Sämlinge-Pikieren«, erklärte er und lächelte aufmunternd. Lina hatte von dieser Tätigkeit keine Vorstellung. Ihrer Tüchtigkeit beraubt, ergab sie sich, und obwohl ihr das Wasser in die Augen stieg, fühlte sie eine Euphorie, die sie immer nur dann überkam, wenn ihr eine selbstlose Geste widerfuhr; es war ein Sekundenrausch aus körpereigenen Substanzen, ein Gefühl, als fließe das Blut dicker und sträube sich ihr leis das Haar. Das ist jetzt für immer, dachte sie, während sie seinen gebeugten Kopf und seine großen Hände betrachtete. Sie würde das bisschen Zeit nie vergessen, als keiner von ihnen sprach und Johann mit geschickten und zarten Fingern ihre Handflächen pikierte.
    In Straßburg kaufte sie ihm ein neues Hemd. Er trug die lackierte Tüte nonchalant, zusammen mit den gelben Rosen aus seinem Garten und wirkte doch etwas außer der Reihe: ein zahmer graumelierter Herr beim Einkaufsbummel mit seiner Freundin, wäre da nicht eine leicht ungesetzliche Aura um ihn gewesen; der herausfordernde Gang, die langen Haare, der Zigarettengeruch, die nicht vollkommen sauberen Fingernägel. Von einer Vorgartenmauer hatte er einen Zweig des kleinen blauen Immergrüns abgebrochen und ihr durchs oberste Knopfloch gezogen.
    »Hübsch und harmlos?«, fragte sie.
    »Toxisch«, erwiderte er, »aber

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