Giftweizen
Singer mit einem schiefen Lächeln. »Und der Holl sollte uns genau diese Zeit verschaffen! Schließlich war ich mir sicher, dass es ein paar Tage dauern würde, bis Sie überhaupt in Erfahrung bringen konnten, wer da vor Ihnen lag. Und außerdem, selbst wenn Sie mich irgendwann mit dem Tod von Holl in Verbindung brächten, was sollte mir passieren? Ich war tot!«
Dass er mit diesen Behauptungen nicht ganz irrte, wollte Judith Brunner ihm nicht verraten. Sie machte einfach weiter. »Wo ist der Leichnam von Wuttke eigentlich?«
»Im Wald, ziemlich weit weg von den Bienenwagen. Für ihn habe ich mir viel Zeit genommen, um ihn richtig tief zu begraben. Den sollten Sie auch bei intensivster Suche niemals finden.«
»Sie werden uns die Stelle aber noch zeigen?«
Eduard Singer nickte.
Dr. Grede fasste es nicht: »Sie nahmen also billigend in Kauf, dass Holl und Pfeiffer sogar als Ihre Mordopfer identifiziert werden konnten?«
Gleichgültig zuckte Singer mit den Schultern. »Das war mir egal. Die akute Bedrohung für Hella und mich war weg. Die drei Kerle waren tot, das war das Wichtigste. Was hätten Sie denn in der Situation besser gemacht?«
Judith Brunner wusste, dass er nicht im Ernst eine Diskussion zu dieser Frage erwartete. Ihr ging es nur um Täterwissen. Daher führte sie die Befragung nochmals zurück: »Sie waren also im Kühlraum? Wie ging es dann weiter?«
»Wie gesagt, als ich den Holl da liegen sah, konnte ich zum ersten Mal die Narben sehen. Zugegeben, ich habe sie mit einer gewissen Genugtuung betrachtet. Er stank, wie bei diesem Widerling nicht anders zu erwarten. Ich wollte mich diesem Geruch nicht aussetzen, also habe ich ihn mit einer ganzen Flasche Badeschaum übergossen. Die stand da rum. Vielleicht waschen die ja die Toten mit dem Zeug. Dann habe ich mit einer Gießkanne nachgespült, die ich draußen auf einem Fensterbrett fand. Während ich das tat, durchdachte ich meinen neuen Plan. Der Rest im Krankenhaus war ein Kinderspiel. Ein Leichenfahrzeug vor der Einfahrt geparkt, einen Kittel übergezogen, eine Rollliege geschnappt, – da fragt keiner nach, was Sie da treiben.«
Judith Brunner musste ihm in diesem Punkt recht geben.
Sie würden die Aussagen der beiden Singers noch vergleichen und gewiss nach dem einen oder anderen Detail fragen müssen, doch grundsätzlich schien der Fall gelöst.
Eduard Singer hatte alles gestanden. Wenn beide bei ihren Aussagen blieben, würde ihnen schwerlich etwas anderes nachzuweisen sein.
Das abscheuliche Verbrechen an Jenny Holl ging Judith Brunner nicht aus dem Kopf; ihr imponierte, dass Eduard Singer die Folgen ihrer Rache in Gänze auf sich nahm.
Und dennoch, sie hatte einen Dreifachmörder vor sich sitzen! Da war allzu viel Mitleid wohl unangebracht. Oder? Durfte man für den Schutz der eigenen Liebe so weit gehen? »Herr Singer, warum sind Sie heute Morgen eigentlich nach Waldau gefahren, um sich zu stellen? Hätten Sie das nicht in Ihrem Polizeibüro in Breitenfeld erledigen können?«
»Was soll ich sagen? Wir waren schon mit dem Motorrad los, um in unsere jetzt ungewisse Zukunft zu fahren. Doch genau wie gestern Abend gelang es uns nicht, unser Zuhause einfach hinter uns zu lassen. Wir wollen nicht weg von hier. Das ist unsere Heimat und nur hier waren wir glücklich ... Schon nach wenigen Kilometern, in Waldau, bat Hella mich, anzuhalten. Ich habe ihr nicht widersprochen.«
Das Verhör konnte im Wesentlichen beendet werden. Judith Brunner spürte, wie die Anspannung von ihr wich.
Die beiden Männer wechselten in lockererem Ton noch ein paar Bemerkungen.
»Hätten Sie wirklich mit Heino Wuttkes Namen leben können?«, wollte Dr. Grede wissen.
»Ach, der war noch der Harmloseste von allen! Das wäre schon gegangen. Aber darüber muss ich mir ja nun keine Gedanken mehr machen, stimmt’s? Ich werde als Eduard Singer aus dem Gefängnis kommen und mit meiner Frau noch einige gute Jahre verbringen.«
Die Gewissheit, mit der Singer diese Vision vortrug, war beeindruckend.
Judith Brunner lag noch eine Sache am Herzen: »Warum haben Sie Botho Ahlsens da mit reingezogen. Ihm das angetan? Er hatte doch nicht das Geringste mit Ihrer Rache zu tun? Und die Handschuhe – sollten die einen besonders dramatischen Effekt abgeben?«
Zum ersten Mal während des Verhörs zeigte Eduard Singer echte Schuldgefühle. Er schluckte. »Das stimmt schon. Mir tut es auch leid, und wenn ich die Gelegenheit habe, werde ich ihn auch um Entschuldigung bitten ... Doch die Hände sollte
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