Luc - Fesseln der Vergangenheit
1
Eine Windböe wirbelte Staub auf und begrenzte die Sichtweite auf wenige Meter. Fluchend bremste Lieutenant Lucien DeGrasse den Jeep weiter ab. Bei der Geschwindigkeit würde es Stunden dauern, bis sie den Flughafen erreichten. Die Wartezeit von knapp drei Stunden, in der die Straße wegen der Räumung angeblicher Sprengfallen gesperrt gewesen war, hatte seine Geduld schon genug strapaziert. Er konnte es kaum erwarten, die Hitze und den Staub, die so typisch für Afghanistan im Sommer waren, hinter sich zu lassen.
Lieutenant Scott Henderson grinste ihn vom Beifahrersitz des Jeeps an. »Noch vierundzwanzig Stunden und du liegst am Pazifik im weichen Sand.«
Luc winkte ab. »Wenn es bloß schon so weit wäre.« Gespielt übertrieben seufzte er und brachte seinen Freund zum Schmunzeln. Der hochgewachsene, wortkarge Texaner, dessen Wutausbrüche legendär waren, und Luc mit seiner offenen, herzlichen Art ergänzten sich ideal, so dass Scott nicht nur sein Stellvertreter, sondern auch einer seiner engsten Freunde war. Zusammen hatten sie ihre Männer zu einem schlagkräftigen Team geformt, in dem sie sich blind verstanden. Ihre Erfolge innerhalb der SEAL s, der Spezialeinheit der US Navy, sprachen für sich, aber damit waren sie auch weit öfter als ihre Kameraden im Einsatz. Nach einem weiteren Blick in den Rückspiegel seufzte Luc erneut, dieses Mal aber durchaus ernst gemeint. Viel zu dicht hinter ihnen fuhr der zweite Jeep mit ihren restlichen Männern und Chris, dem Jüngsten ihres Teams, am Steuer. »Der Idiot klebt schon wieder an unserer Stoßstange. Regele das.«
Selbst wenn seine Männer ebenso ungeduldig auf ihren Abflug warteten wie er selbst, rechtfertigte nichts den Verstoß gegen eindeutige und in diesem Fall sinnvolle Sicherheitsvorschriften.
Scott machte Chris dies mit wenigen Worten am Handy klar und der Abstand zwischen den Fahrzeugen vergrößerte sich sofort. »Fast hätte er am Telefon salutiert.«
Die durchschimmernde Selbstzufriedenheit seines Freundes brachte Luc zum Lachen.
Die Arme hinter dem Kopf verschränkt lehnte Scott sich zurück. »Wo waren wir stehen geblieben? Am Strand. Dazu dann bitte noch eine Blonde oder so was Rothaariges, wie du es dir neulich geangelt hast. Eigentlich ist die Haarfarbe auch egal, Hauptsache sie ist höchstens zwanzig.«
»Zwanzig? Lass dir ihren Ausweis zeigen, ehe du sie abschleppst. Klingt für mich, als ob du ein heißer Kandidat für den Knast wärst. Andererseits käme ich so vielleicht endlich an einen vernünftigen Stellvertreter.«
Luc ignorierte den finsteren Seitenblick und umfasste das Lenkrad fester. Die Anzahl der Schlaglöcher nahm zu und einige waren groß genug, um eine halbe Ziegenherde da drin zu verstecken.
»Sehr witzig, Boss. Zurück zu deiner Rothaarigen. Was ist mit der? Die hatte doch alles, was ein Mann braucht: Top-Aussehen und einen 73er Mustang.«
»Und einen IQ , der knapp über Raumtemperatur liegt. Ihr Wagen hatte mehr unter der Haube als sie unter dem Pony.«
Scotts Mundwinkel bogen sich nach oben. »Früher war dir das egal, aber gut, mit zunehmendem Alter ändern sich die Ansprüche.«
Luc beschränkte sich auf ein unverbindliches Schnauben. Im Prinzip hatte sein Freund recht. Seit seinem dreißigsten Geburtstag schienen sich seine Prioritäten geändert zu haben. In der Nähe ihres Heimatstützpunktes gab es genug Frauen, die darauf hofften, eine Nacht mit einem SEAL zu verbringen. Früher hatten ihm ein Wochenende zu zweit im Bett und ein einvernehmlicher Abschied am Montagmorgen gereicht, inzwischen wollte er mehr. Aber bei seinem Job war jeder Gedanke an eine feste Beziehung oder eine Familie utopisch. Die Scheidungsquote bei den SEAL s wurde nur von der Anzahl zerbrochener Hollywood-Ehen übertroffen. Für ein ernsthaftes Gespräch mit Scott war dies der falsche Ort, aber sein Freund hatte ihn auch so verstanden, denn statt Unnachgiebigkeit spiegelte seine Miene Verständnis wider.
Scott stieß ihm leicht den Ellbogen in die Rippen. »Schon klar, als Südstaaten-Gentleman hältst du es mit Frauen wie mit Wein: je älter, desto besser. Als echter Texaner stehe ich mehr auf Bier, und das möglichst frisch gezapft. Außerdem werden wir deine Zurückhaltung zu nutzen wissen, dann bleibt mehr für uns.«
Der letzte Satz brachte Luc zum Schmunzeln. Seine Männer zogen ihn oft genug damit auf, dass die Frauen auf seine schwarzen Haare und blauen Augen flogen und sie sich mit dem begnügen mussten, was er übrig
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