Giftweizen
schüttelte. »Ich bin wahrlich froh, dass Sie da sind.«
Walter Dreyer dankte Judith und Dr. Renz ebenfalls für das rasche Kommen. Und dann trat Thomas Ritter, Leiter der Gardelegener Spurensicherung noch zu ihnen, während sein Kollege nur von Weitem grüßte und bereits anfing, diverse Utensilien hinten aus dem Auto zu räumen.
Judith Brunner sah interessiert zu den abgedeckten Handschuhen hinüber, die nur notdürftig geschützt auf dem Buchenstamm lagen, blieb aber in der Entfernung stehen, um vielleicht vorhandene Spuren am Boden nicht zu zerstören.
Der Kriminaltechniker baute sein Stativ für die Fotos auf.
Walter Dreyer begann, die Sachlage zu schildern: »Herr Ahlsens kam von da, aus Richtung Waldau, ungefähr um zehn hier an.« Dann sah er den Mann auffordernd an, in der Hoffnung, er führe fort, und Ahlsens machte bereitwillig mit.
»Richtig. War vielleicht auch schon viertel elf. Ich hatte mir spontan vorgenommen, noch rauf zum Stakenberg zu wandern. Doch dann fand ich das da«, wies er mit der Schulter in Richtung des äußeren Baumstammes, ohne sich umzuwenden. »Ich konnte erst gar nicht glauben, was ich da sah.«
»Sie waren allein unterwegs?«, fragte Judith Brunner.
Ahlsens nickte. »Ja. Und gesehen habe ich auch niemanden, obwohl ich ab und zu den Eindruck hatte, beobachtet zu werden.« Er deutete den Weg zum Berg hinauf, wo sich ein herrlicher, alter Wald erstreckte. »Ich hab öfter raufgeschaut, aber nichts bemerkt. Meine Augen sind eben nicht mehr die jüngsten.«
»Wir werden uns auch da mal umsehen«, warf Ritter ein.
Sein Mitarbeiter hatte inzwischen Fotos vom Fundort, dessen Umgebung und vom Weg gemacht und wollte jetzt mit den Nahaufnahmen beginnen.
Thomas Ritter hielt ihn kurz zurück. Er besah sich aufmerksam den Boden um den Sandweg herum an und markierte einige der Stellen, von denen sie später noch Gipsabdrücke nehmen würden. Direkt vor und hinter dem Baumstamm lagen diverse Borkenreste, Zweiglein und Halme, völlig getrocknet und überwiegend fein zu einem Gemisch zerbröselt. »Ich nehme an, Sie haben hier gestanden?«, fragte er Botho Ahlsens nüchtern und deutete auf eine Stelle in unmittelbarer Nähe.
»Ja«, bestätigte Ahlsens, »ich bin aber gleich beiseite gegangen, als ich ...«
»Schon gut. Ich muss nur wissen, wer hier wo rumgelaufen ist. Walter, du hast auch hier gestanden?«
Dreyer nickte. »Sie aber nicht«, wies er auf Laura hin, die nach einem grüßenden Winken auf ihrem Sonnenplatz geblieben war.
Thomas Ritter prüfte sachgerecht die unmittelbare Nähe um das Abdecktuch, und als er nichts fand, erlaubte er Judith Brunner: »Sie dürfen dann.«
Judith ging zum Baumstamm und hockte sich ungeachtet des Fliegenschwarms nieder. Sie nahm vorsichtig das Tuch herunter und besah sich eingehend, was darunter lag.
»Ah«, meinte Dr. Renz, der neben sie getreten war, »das ist ja ein Anblick!« Seine professionell bedingte Neugier war kaum noch zu zügeln. Er ließ sich auf die Knie nieder.
Thomas Ritter hatte es anscheinend die Sprache verschlagen. Er blickte Walter an, als könne sein langjähriger Freund ihm diese seltsame Situation, in der sie sich hier inmitten dieses unschuldigen Sonnenwetters befanden, erklären. Als Kriminaltechniker mit gehöriger Berufserfahrung hatte er natürlich schon abgetrennte Körperteile gesehen und entsprechende Unfall- oder Tatorte untersucht, aber diese Art und Weise der Platzierung war beunruhigend.
»Das ist gar nicht gut«, sprach Judith Brunner den Gedanken ihres Mitarbeiters laut aus und trat einen Schritt zurück. Was sollte das Ganze? Alles deutete auf ein Verbrechen, es sei denn ...
»Es sind tatsächlich menschliche Gliedmaßen«, zerschlug Dr. Renz mit einer sachlichen Bemerkung ihre vage Hoffnung.
Es steckten also keine Lammhaxen in den Handschuhen. Judith Brunner registrierte einen kurzen Blickwechsel zwischen Botho Ahlsens und Walter, die offensichtlich Ähnliches überlegt hatten.
»Post mortem abgetrennt, eindeutig«, teilte Dr. Renz weiter mit.
Das war, wenn man unter diesen Umständen überhaupt davon sprechen konnte, eine gute Nachricht, dachte Judith Brunner.
»Die Amputation ist höchstens vor ein paar Stunden geschehen. Die Hände liegen auch noch nicht lange hier. Auf keinen Fall seit dem frühen Morgen oder gar der Nacht, sonst hätte irgendein Tier – ein Fuchs, ein Wildschwein, auch ein kräftiger Vogel käme infrage – sie längst verschleppt. Ich sehe keine Spuren von Tierfraß. Das Leder der Handschuhe ist
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