Gildenhaus Thendara
dem kurzgeschnittenen goldenen Haar. „Habe ich dich nicht von deiner Tochter entbunden? Sie muß inzwischen ein großes Mädchen geworden sein”
Keithas Gesicht verzog sich wie zum Weinen. Mit bebender Stimme antwortete sie: „Sie… sie ist kurz vor Mittwinter am Fieber gestorben…” „Oh, Göttin, tut mir das leid!” rief Marisela aus.
„Ich habe meinen Mann angefleht, nach dir zu schicken, die du soviel vom Heilen verstehst, aber er wollte nicht - wollte keine Entsagende unter sein Dach lassen…”
„Das bedauere ich, nur wäre ich vielleicht ebenso hilflos gewesen wie andere”, sagte Marisela freundlich. „Ich bin geschickt, allein gegen manche Fieberkrankheiten gibt es kein Mittel. Aber jetzt bist du hier, Keitha, und wir müssen uns demnächst einmal unterhalten. Im Augenblick bin ich dir dankbar, daß du deine Sache bei Byrnas Baby so gut gemacht hast. Ich muß das hier beenden”, setzte sie hinzu. Sie hielt die tropfenden Hände ein gutes Stück von sich ab, genau wie Magda es bei den Ärzten im terranischen HQ gesehen hatte, und beugte sich über Byrna, um die Nachgeburt zu kontrollieren. „Camilla, willst du Byrnas kleinen Mann wickeln?” Magda fiel auf, wie zärtlich Camillas lange, schwielige Finger mit dem Kind umgingen. Sie drückte es kurz an ihre flache Brust und murmelte ihm etwas zu. Wie konnte ein Neutrum, eine Frau ohne weibliche Hormone und außerdem mußte sie mindestens fünfzig sein - so mütterlich wirken? Wie dachte überhaupt ein Neutrum, eine emmasca, von sich selbst, von Kindern? Magda vermochte es sich nicht vorzustellen. Sie hatte immer geglaubt, mütterliche Gefühle seien eine Sache der Hormone, mehr nicht. „Margali”, bat Marisela, „geh in die Küche hinunter, und mach Milch warm, tu Honig hinein, und bringe sie her, damit Byrna ihre Medizin darin nehmen kann, bevor sie schläft”
Magda stieg müde die Treppe hinunter. Jetzt mußte sie das zugedeckte Feuer anschüren und Milch wärmen! Doch zu ihrer unaussprechlichen Erleichterung war Irmelin schon auf und machte sich
ruhig an dem großen Herd zu schaffen. Rafaella, zum Reiten angezogen, saß am Tisch und aß heißen Brei.
„Byrnas Kind ist also angekommen? Und jetzt möchte Marisela heiße Milch mit Honig für sie haben”, stellte Irmelin freundlich fest. „Du setzt dich zu Rafi und trinkst Tee; ich habe mir welchen aufgebrüht, als ich herunterkam. Er steht dort. Was ist es denn, ein Junge oder ein Mädchen?” „Ein Junge” Dankbar trank Magda den heißen Tee, während Irmelin die Milch aufsetzte.
Rafaella schlug fluchend mit der Faust auf den Tisch. „Höllenfeuer! Das arme Kerlchen, sie wird auf ihn verzichten müssen - Zandrus Höllen, wie gut ich mich daran erinnere! Es müßte eine bessere - Höllenfeuer!” Sie rannte hinaus. Ihre Schüssel war umgekippt, Milch und flüssiger Brei ergossen sich über den Tisch. Magda sah ihr nach und fragte sich, was eigentlich los sei.
Irmelin seufzte, kam und wischte wortlos die Milch auf. Dann sagte sie kurz: „Trink deinen Tee, Margali, und bring das hier zu Byrna hoch” Ihre Augen blickten ins Leere, ihre Lippen waren fest zusammengepreßt. Magda nahm noch einen Schluck von dem süßen, milchigen Tee und sehnte sich schmerzlich nach einer Tasse starken schwarzen Kaffees. Sie hatte Kopfschmerzen und fühlte sich erschöpft. Doch sie mußte die Milch nach oben bringen.
Das Baby lag, eingehüllt in Decke und Schlafrock, in Byrnas Armen. Byrna war gewaschen, ihr Haar war gekämmt und geflochten. Sie hielt die Augen geschlossen und sah friedlich aus.
„Laß mich ihn in die Wiege legen, solange du deine Milch trinkst, breda.” Camilla hielt ihr den Becher an die Lippen. Byrna drückte das Kind an sich. „Nein, ich möchte ihn bei mir behalten, bitte, bitte…!’
Marisela schickte Camilla, Magda und Keitha zum Frühstück. Sie werde ein paar Stunden bei Byrna bleiben, sagte sie, und aufpassen, ob sie zu bluten beginne. Auf der Treppe seufzte Camilla.
„Das arme kleine Ding”, sagte sie. „Ich hoffe, Ferrika wird rechtzeitig hier eintreffen, um sie zu trösten, wenn sie ihr Kind hergeben muß - ich mache mir Sorgen um sie” Sie legte einen Arm um Magda. „Du bist auch müde hattest du vorher noch nie bei einer Geburt geholfen?”
„Nein”, gestand Magda. „Du?”
„O ja - ich hätte es schon fertiggebracht, wenn Keitha nicht dagewesen wäre. Rafaellas zweiter Sohn wurde auch so geboren. Sie dachte noch gar nicht daran, denn sie hatte die Zeit nicht
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