GK0034 - Friedhof der Vampire
Sauerstoff bekam. Sollte er hier bei lebendigem Leib ersticken?
Wieder fielen ihm Grace Winlows Worte ein. Und das Bild in der magischen Kugel.
Es war alles eingetroffen.
John Sinclair war lebendig begraben!
Diese Erkenntnis traf den Inspektor wie ein Fausthieb. In der ersten Reaktion wollte er einfach losschreien, seine ganze Not hinausbrüllen, doch dann siegte die Vernunft.
Nein, nur keine großen Anstrengungen. Das kostete zu viel Luft. Und den Sauerstoff brauchte er nötiger denn je.
John spürte einen Druck an der Hüfte.
Der angespitzte Holzpfahl. Er steckte immer noch hinter seinem Gürtel. War jetzt wertlos geworden.
John überlegte, ob er ihn sich nicht selbst in die Brust stoßen sollte, bevor er hier jämmerlich erstickte.
Doch noch lebte er!
John hob beide Hände und stemmte sie gegen den Sargdeckel. Mit aller Kraft versuchte er, den Deckel nach oben zu drücken.
Vergebens.
Der schwere Deckel rührte sich nicht einen Millimeter.
Erschöpft hielt John inne. Diese Arbeit hatte verdammt viel Sauerstoff gekostet.
Er bekam schon kaum mehr richtig Luft. Die Sachen klebten ihm schweißnaß am Körper, sein Atem ging schnell und pfeifend.
Wie lange konnte er es noch aushalten?
Drei, vier oder fünf Minuten?
Das Atmen fiel John Sinclair immer schwerer. Es bereitete ihm Mühe, seine Nerven noch unter Kontrolle zu haben.
Und dann war es mit seiner Beherrschung vorbei. John Sinclair war auch nur ein Mensch.
Mit beiden Fäusten trommelte er gegen die Unterseite des Sargdeckels. »Ich will hier raus! Ich will hier…« Johns Stimme versagte. Ein Hustenanfall schüttelte seinen Körper.
Die Luft wurde immer knapper.
John Sinclair schnappte verzweifelt nach Sauerstoff. An normales Atmen war kaum mehr zu denken.
In diesem Augenblick höchster Gefahr hörte John über sich ein knirschendes Geräusch.
Langsam, unendlich langsam wurde der Sargdeckel zur Seite geschoben. Ein schwacher, rötlich schimmernder Lichtschein traf John Sinclairs Gesicht. Und noch etwas strömte in den Sarg. Luft! Herrliche Luft.
Tief pumpte John den Sauerstoff in seine Lungen. Von Sekunde zu Sekunde ging es ihm besser.
Dann war der Sargdeckel ganz verschwunden.
Jemand hielt eine Laterne über Johns Kopf.
Der Inspektor kniff geblendet die Augen zusammen. Flüsternde Stimmen drangen an sein Ohr. John hörte mehrmals seinen Namen.
Endlich konnte er auch wieder besser sehen.
Die Vampire hatten seinen Sarg umkreist!
John sah ihre Gesichter, diese gräßlichen, blutsaugenden Fratzen.
Und plötzlich wurde dem Inspektor klar, daß der Erstickungstod vielleicht besser gewesen wäre, als zu einem Untoten zu werden.
Die Laterne über seinem Kopf schwankte hin und her. John sah die Schatten auf den Körpern der Vampire tanzen, und er erkannte auch Grace Winlow, die nun ganz dicht an seinen Sarg trat.
John setzte sich auf.
Grace Winlow beugte sich zu ihm hinab. Sie war jetzt wieder die junge schwarzhaarige Frau, die sie immer dann sein konnte, wenn sie frisches Menschenblut getrunken hatte.
»Ich habe es dir prophezeit«, sagte sie triumphierend. »Du wirst bald einer von uns sein und genau wie wir denken und fühlen. Der Sarg, in dem du jetzt liegst, wird tagsüber dein Platz sein, John Sinclair.«
Der Inspektor kniff die Augen zusammen. »Niemals!« zischte er. »Niemals werde ich zu euch gehören. Eher bringe ich mich um.«
Grace Winlow kicherte. »Glaubst du, daß wir es zulassen? Nein, du bist zu wertvoll. Ein Inspektor von Scotland Yard als einer der unseren ist eine zu verlockende Möglichkeit. Die englische Polizei würde bald nur noch aus Vampiren bestehen. Es wäre der Anfang einer Weltherrschaft der Untoten.«
»Du bist verrückt!« preßte John hervor. Er stützte sich mit den Händen am Sargrand ab und konnte sich somit hinknien. Er sah Grace Winlow jetzt genau ins Gesicht.
Deutlich erkannte er die Vampirzähne und die blutunterlaufenen Augen.
Ein hartes Grinsen kerbte sich in John Sinclairs Mundwinkel.
»Versuch es nur«, flüsterte er. »Versuche es nur, Grace Winlow. Du wärst nicht der erste Vampir, den ich endgültig töten würde. Und du wirst auch nicht der letzte sein.«
Johns Sicherheit machte Grace Winlow unruhig. Sie wußte auf einmal nicht genau, wie sie sich verhalten sollte.
»Worte!« keifte sie. »Nichts als leere Worte. Ich werde dein Blut trinken, John Sinclair. Ich werde es trinken!«
Ihre Hände stießen plötzlich vor, packten ihn an seinem Hemdkragen und zogen ihn nach vorn.
John
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